Neustadt. Beinahe wäre er mit seinem Täuschungsmanöver durchgekommen. Mit dem geistesgegenwärtigen Trick, zu behaupten, er sei von der Steuerfahndung und sein unangekündigtes Durchstöbern einer fremden Wohnung habe sehr wohl seine Richtigkeit. Doch dann erregte er das Misstrauen des Mannes, der ihn beim Durchwühlen mehrerer Zimmer überrascht hatte und nun die durcheinandergewürfelten Sachen mit ihm mittendrin argwöhnisch beäugte. Ein Steuerfahnder in Jeans und Kapuzensweatshirt? Das wollte der Wohnungsnutzer sich dann doch lieber durch Ausweis und Berechtigungspapiere bestätigen lassen. Und so wurde die Legende vom Ermittler im Auftrag des Fiskus als dreiste Lüge enttarnt. Mit ihr zerstob auch der Traum von Florian M. (Name geändert), irgendwie noch ungeschoren davonzukommen.

Wenn man denn überhaupt davon sprechen kann, dass ein Einbrecher Pech hat, dann war es bei dem 22-Jährigen der Fall. Erfrischend offenherzig und so ganz ohne Dramatik oder Selbstmitleid schildert der wegen räuberischen Diebstahls angeklagte junge Mann im Prozess vor dem Landgericht, wie das Schicksal seinen eigentlich so schön ausgedachten Plan zermalmte. Als Objekt seiner Begierde hatte der schlanke blasse Mann sich Ende September vergangenen Jahres einen Antiquitäten- und Buchladen ausgeguckt, "weil ich dachte, dass dort bestimmt etwas Wertvolles drin ist", erzählt Florian M. Doch dann habe er bemerkt, dass der Inhaber dort gewesen sei, und beschlossen, lieber in die im selben Gebäude liegende Wohnung des Mannes einzubrechen.

"Ich habe mich noch vergewissert, dass die Öffnungszeiten den ganzen Tag über sind, und dachte, toll, da habe ich viel Zeit", schildert der Hamburger. "Außerdem dachte ich, dass das eine schöne Wohnung ist und man schnell zwei wertvolle Sachen mitnehmen kann, und gut." Ein grober Irrtum, denn tatsächlich sei er in eine Messie-Wohnung geraten. "Das machte wirklich keinen Spaß. Da war Unordnung und Schimmel und Gestank." Also habe er ein altes Buch gegriffen und ein paar Münzen und sich im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Staub machen wollen.

Doch dann sei er von einem Mann überrascht worden und habe versucht, mit dem Steuerfahnder-Trick zu überzeugen. "Wir haben etwa fünf Minuten geredet, ob das wirklich so ist und ob ich eine Berechtigung habe, in die Wohnung einzudringen. Er wollte unbedingt meinen Ausweis sehen", erzählt Florian M. Also habe er zum Schein telefoniert und behauptet, er müsse etwas aus dem Auto holen - in der Hoffnung, fliehen zu können. Der Mann aber habe sich ihm in den Weg gestellt und ihn festgehalten. "Ich holte einen Elektroschocker aus der Hosentasche und habe ihn geschockt, aber er ist mit einem Hechtsprung an meine Hacke und hat mich weiter festgehalten." Also habe er ihn erneut "geschockt" und sei dann weggerannt. Im Eifer des Gefechts ließ Florian M. einen Koffer mit Einbruchswerkzeug zurück sowie seinen Rucksack, in den er seine ohnehin magere Beute gestopft hatte. Sein letzter, sein entscheidender Fehler. Denn in diesem Rucksack fanden Ermittler wenig später einen Lieferschein, der auf den Namen des 22-Jährigen ausgestellt war - und sie damit geradewegs zum mutmaßlichen Täter führte.

Das Opfer sei größer und auch kräftiger als er gewesen, begründet der Angeklagte sein entschlossenes und massives Vorgehen gegen den Mann. Doch der 69-jährige Detlef G., der jetzt als Zeuge mit gekrümmtem Rücken in den Gerichtssaal humpelt, wirkt so gar nicht bedrohlich oder auch nur sonderlich fit. Regelmäßig erledige er für seinen über 80-jährigen Bruder die Einkäufe, deshalb sei er in die Wohnung gekommen, erzählt der Rentner mit sanfter Stimme.

Fast sei er auf den Trick mit der Steuerfahndung hereingefallen. "Aber dann wurde ich doch misstrauisch." Er habe sich dem Verdächtigen in den Weg gestellt und immer wieder "Polizei" gerufen, es sei zu einer Rangelei gekommen, bei der er mit einem Elektroschocker verletzt wurde. Ob er dem Angeklagten mit einem Hechtsprung nachgesetzt habe, will die Kammervorsitzende von Detlef G. wissen. "Nee, Hechtsprung, das wäre vielleicht vor 40 Jahren mal gewesen", winkt er ziemlich matt ab.

Der Auftritt des Zeugen scheint dem Angeklagten ganz massiv in die Glieder gefahren zu sein. "Ich hatte ihn groß und kräftig in Erinnerung, aber jetzt habe ich gesehen, dass das ein älterer Mann ist", erzählt er später, als das Opfer nach dessen Aussage den Gerichtssaal verlassen hat. "Ich konnte ihm eben nicht mal in die Augen gucken, weil ich mich so geschämt habe."

Von einer "skrupellosen Tat" des Angeklagten spricht die Staatsanwältin, und auch das Gericht rügt das "planvolle und professionelle Vorgehen. Das waren absolut keine Kavaliersdelikte oder Kleinkriminalität", redet die Kammervorsitzende Florian M. ins Gewissen. Für den 22-Jährigen spreche jedoch unter anderem, dass er nicht vorbestraft sei und sich seit der Tat beruflich und privat sehr positiv entwickelt habe. Das Gericht verhängt anderthalb Jahre Haft, die es noch zur Bewährung aussetzt. "Das war der letzte Schuss vor den Bug", mahnt die Richterin. "Jetzt darf absolut nichts mehr kommen."

Der Angeklagte nickt sofort. Dafür, dass sich Straftaten eben doch nicht lohnen, hat er schließlich das Paradebeispiel geliefert.