Spanien und Griechenland weichen die Bedingungen für Hilfskredite auf. Aber so stoppen sie den Verfall ihrer Volkswirtschaften nicht

Europa atmet auf: In Griechenland haben jene Parteien die Wahlen gewonnen, die die Reformauflagen für das Land - die 2010 als Gegenleistung für die Kredite des Hilfsfonds EFSF fest vereinbart worden waren - beharrlich unterlaufen. Als Belohnung für diesen systematischen Vertragsbruch durften sie die ursprünglichen Reformauflagen seit 2010 sechsmal neu verhandeln und so immer mehr aufweichen. Als Dankeschön für den Wahlsieg steht jetzt die siebte Aufweichung ins Haus.

Diese Entwicklung ist fatal - zumal sie zusammen mit der in Spanien zu sehen ist. Das Problem aller südeuropäischen Länder ist die Erosion der Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften. Sie haben dadurch von Jahr zu Jahr immer mehr importiert und immer weniger exportiert. So entstand eine immer größere Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen. Zugekleistert wurde sie mit Auslandskrediten.

Dieses System ist zusammengebrochen. Ohne Kredite aus Nordeuropa sind diese Länder am Ende. Da die Banken kein Geld mehr dorthin verleihen, wurde die EFSF gegründet: ein Hilfsfonds, für den vor allem Deutschland mit seiner hohen Bonität haftet. Die Idee: Die ESFS vergibt vorübergehend Kredite, damit - und nur unter der Bedingung, dass - die Länder umfassende Reformen einleiten, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Ohne Reformen müsste die Hilfe ewig geleistet werden.

In Spanien kommt noch ein zweites Problem hinzu: Das Land erlebte dank Euro jahrelang einen Bauboom ohnegleichen. Die Nachfrage nach Immobilien stieg; dadurch erhöhten sich die Preise. Viele Investoren glaubten, je höher die Preise, desto höher der Wert. Sie investierten daher noch mehr, die Preise stiegen weiter, die Nachfrage nahm weiter zu. So entstand eine Immobilienblase. Sie platzte durch die Finanzkrise 2008.

Man hat viel zu viel gebaut. Ein Großteil der Immobilien steht heute leer und ist damit nicht mehr viel wert. Die Investoren haben gigantische Verluste erlitten, viele sind pleite. Die Immobilien waren überwiegend mit Bankkrediten finanziert worden. Die können nun nicht mehr zurückgezahlt werden. Dadurch können viele Banken die Spareinlagen ihrer Kunden nicht mehr zurückzahlen. Das treibt auch sie in den Konkurs.

Um das zu verhindern, stützte der spanische Staat die Banken mit Finanzhilfen. Das ganze Ausmaß des Desasters wurde aber erst nach und nach deutlich. Je größer der Kapitalbedarf der Banken wurde, desto schwerer tat sich der Staat, sie zu stützen. Denn auch ohne die Bankenhilfen ist er hoch und Jahr für Jahr höher verschuldet. Auch ohne die Bankenhilfen haben die Kapitalanleger zunehmend Zweifel, ob er die steigende Schuldenlast noch tragen kann. Denn das Land hat Probleme mit seiner Wettbewerbsfähigkeit.

Daher wird die EFSF nun auch Spanien bis zu 100 Milliarden Euro leihen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: die "allgemeine" Kredithilfe, die an grundlegende Reformen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit geknüpft ist; zum anderen eine spezielle Kredithilfe nur zur Stützung der Banken, die an solche Reformen nicht geknüpft ist. Auf Spaniens massives Drängen vereinbarte man die spezielle. Spanien erhält also EFSF-Kredite ohne Verpflichtung zu strengen Wettbewerbsfähigkeitsreformen.

Dies verdeutlicht die Sackgasse, in die sich Europa verrannt hat. Gerade die Bundesregierung will um jeden Preis den Zusammenbruch der Euro-Zone verhindern. Das geht nur, indem sie die südeuropäischen Staaten mit von ihr garantierten Krediten so lange vor dem Konkurs bewahrt, bis die wieder wettbewerbsfähig sind. Diese Kredite verzögern zwar den Ruin taumelnder Staaten, verringern in ihnen aber auch den inneren Reformdruck.

Das führt zu einer schwachen Verhandlungsposition Deutschlands, das Geld nur gegen Reformen geben will. Die Südeuropäer sagen sich: Auch wenn sie nicht hart reformieren, wird die Bundesregierung sie nicht hängen lassen. Die Folge: Die Reformdisziplin in der Euro-Zone löst sich auf. Spanien bekommt Geld ohne die nötigen Reformauflagen, Griechenland darf sie aufweichen. Beides wird zum Vorbild für andere Krisenstaaten, allen voran Italien. Und Deutschland wird die Zeche zahlen - es sei denn, der Euro zerbricht.