Neustadt. Hand in Hand kommt das Paar zu dem Gerichtstermin, Händchen haltend sitzen sie auch auf der Anklagebank und werfen sich immer wieder innige Blicke zu. Keine Frage: Das hier wollen sie gemeinsam durchstehen; keine Schuldzuweisungen, kein Zwist darüber, wer wohl die größere Verantwortung trägt an der massiven Bredouille, in die sie sich mit so fatalen Konsequenzen manövriert haben. Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt der Volksmund.
Dabei war es wohl vor allem die Leidenschaft des Mannes, die das Ehepaar zu Straftätern werden ließ, und die Liebe und Loyalität der Gattin, die sie zum Mitmachen bewegte. Gemeinsam häuften sie Hunderte Dinge in ihrer Wohnung an, die sein Herz höherschlagen ließen und die Wünsche des Kindes im Manne befriedigten. Denn Andreas S. (Namen geändert) war passionierter Sammler von Blechspielzeug.
Weltweit war der 43-Jährige im Internet unterwegs und ersteigerte über Ebay vor allem Autos und Flugzeuge, aber auch Figuren wie zum Beispiel einen Clown, einen Dinosaurier oder Disney-Spielzeug. Viele dieser metallenen Preziosen sind 60 bis 70 Jahre alt und dem Hamburger lieb - und vor allen Dingen teuer. Bis zu 1600 Euro bezahlt der Sammler für ein einziges dieser begehrten Stücke.
Weil das Ehepaar bei der Einfuhr seiner Beute beispielsweise aus den USA oder Japan die eigentlich fälligen Steuern hinterzogen hat, muss es sich jetzt vor dem Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen ein Urteil des Amtsgerichts, das bereits im Februar Andreas S. zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu 40 Euro und seine Frau zu 90 Tagessätzen verurteilt hatte, Berufung eingelegt. Denn diese Strafen seien zu niedrig, fand die Anklagebehörde.
Die Sammelleidenschaft entwickelte sich zu einer Art Sucht
Erfahrener Geschäftsmann, der Andreas S. sonst ist, hat er hier nichts mehr von der Attitüde des gewieften und überlegten Händlers. Seine Leidenschaft hat ihn schlicht Maß und Überblick verlieren lassen. Das Sammeln von Blechspielzeug sei zum Teil "so etwas wie eine Sucht gewesen", räumt der Angeklagte jetzt im Prozess ein. Er habe damals etwa 200 bis 300 Artikel gehabt, "jedenfalls deutlich mehr als eine Vitrine voll, es war schon eher so ein Messie-Verhalten", sagt der groß gewachsene, athletisch wirkende Mann zerknirscht.
Er habe gespart, um sich sein kostspieliges Hobby leisten zu können, aber auch Schulden gemacht. Weil er in der Szene als leidenschaftlicher Sammler bekannt war, hatte er befürchtet, sein Interesse könne die Preise noch weiter in die Höhe treiben. Um diese Gefahr zu umschiffen, hatte deshalb seine 41 Jahre alte Frau Katja einige Waren unter ihrem Namen ersteigert.
Doch diese Ersparnis war dem Ehepaar offenbar nicht genug. Und so verfielen sie auf einen zweiten, in diesem Fall höchst illegalen Trick: Um möglichst wenig oder am besten gar keine Einfuhrumsatzsteuer für das Blechspielzeug aus Übersee zahlen zu müssen, deklarierten sie ihre Waren überwiegend falsch und gaben den Wert so niedrig wie möglich an. Ihre fantasievollen Facetten des Betrugs wurden dabei mit der Zeit immer ausgefeilter. Zunächst hatten sie die Verkäufer gebeten, die Preise geringer zu beziffern, als sie tatsächlich waren, und die Ware als günstiges "Geschenk" zu deklarieren, für das keine Steuer fällig würde. So wurden beispielsweise bei einem Blechspielzeug, für das Andreas S. tatsächlich mehr als 650 Euro gezahlt hatte, rund 125 Euro Steuern nicht gezahlt.
Das Landgericht bestätigte das Urteil der Vorinstanz: eine Geldstrafe
In einem anderen Fall, bei einem ersteigerten Fahrzeug aus Japan für 695 Euro, hatte der Verkäufer auf Bitten des Ehepaars "used toy", gebrauchtes Spielzeug, auf der Zollinhaltserklärung angegeben. Beim Zoll erklärte Katja S., die Summe sei nur der Versicherungswert, tatsächlich betrage der Wert lediglich 45 Dollar und sei ein Geschenk für ihren Mann. In einigen Fällen schließlich hatten die Sammler Ebay-Ausdrucke manipuliert und beim Zoll vorgelegt, um so die Steuern zu sparen. Insgesamt hat das Ehepaar rund 2500 Euro Abgaben hinterzogen.
Wie sie denn auf die Idee verfallen sind, mit dieser Methode die Steuern zu umgehen, will die Vorsitzende Richterin vom Angeklagten wissen. "Ich hatte nur mal gehört, dass man das so machen kann", weicht der 43-Jährige aus. Seine Konsequenzen aus der Affäre habe er längst gezogen und ersteigere nichts mehr im Ausland. Insgesamt wolle er jetzt endlich "einen Haken hinter die Sache machen", erklärt er resigniert. Wie der Schmu aufgeflogen sei, sei ihm ein Rätsel. "Auf einmal standen jedenfalls die Fahnder in der Tür." Beim Zoll sei irgendwann der Verdacht aufgekommen, erklärt der Staatsanwalt. Dann seien zwei Jahre zurückverfolgt worden. "Wenn man irgendwo reinsticht, geht die Blase auf", erklärte der Anklagevertreter.
Am Ende hält das Landgericht die Strafen für die Angeklagten von 200 beziehungsweise 90 Tagessätzen zu 40 Euro für angemessen und nicht zu niedrig. Es bestätigt damit das Urteil des Amtsgerichts. Die Taten hätten über einen relativ langen Zeitraum stattgefunden und seien "professionell durchgezogen worden", sagt die Vorsitzende Richterin. Und natürlich sei damit Steuerhinterziehung begangen worden. "Aber wenn wir bedenken, was anderswo hinterzogen wird", relativiert die Richterin, "sind das hier Peanuts-Beträge."