Investitionen in die Infrastruktur zahlt die Stadt künftig aus ihrem Haushalt. Die Profiteure sollten einen größeren Beitrag leisten

Eine aktuelle OECD-Studie bestätigt, dass der Hamburger Hafen sehr leistungsstark ist, aber enorme Investitionen braucht. Beides ist richtig und wird von niemandem bestritten. Die Hafen-Lobby macht es sich aber zu einfach: Sie schreibt lange Wunschzettel und kümmert sich nicht um das Preisschild. Wie egoistisch ihre Interessen sind, zeigt sich, wenn es um neue Terminals geht. Da wird plötzlich zusätzlicher Bedarf bestritten. Denn: Nichts scheuen die Terminalbetreiber mehr als neue Konkurrenten.

Politik muss derart egoistische Einzelinteressen hinterfragen, sie muss langfristige Strategien entwickeln, Prioritäten setzen und möglichst einen Interessenausgleich schaffen. Und genau hier scheitern Bürgermeister Olaf Scholz und Wirtschaftssenator Frank Horch. Sie glauben, wenn sie der Hafenwirtschaft und der Handelskammer jeden Wunsch von den Lippen ablesen, wäre das gute Hafen- und Wirtschaftspolitik. Das scheitert aber schon daran, dass diese Politik nicht finanzierbar ist. Der SPD-Senat hatte von Anfang an nur eine Antwort: Der Hafen wird künftig aus dem Haushalt finanziert.

Diese Aussage übersieht jedoch zwei gewaltige Herausforderungen: Einerseits läuft die HHLA-Milliarde 2014 aus. Aus den Erlösen der Teilprivatisierung der HHLA wurden in den vergangenen Jahren die Zuschüsse für die HPA finanziert. Wir waren in der bequemen Situation, dass wir dieses Geld nicht aus dem Haushalt aufbringen mussten. Andererseits zwingt die Schuldenbremse die Politik zu einem Paradigmenwechsel. Während das Grundgesetz es früher erlaubt hat, Investitionen über Schulden zu finanzieren, wird dies in Zukunft nicht mehr möglich sein. Das hat zur Folge, dass alle Investitionsvorhaben der Stadt in Konkurrenz zueinander treten werden.

Die Schuldenbremse wird deutliche Spuren im Investitionshaushalt der Stadt hinterlassen: Von 2010 bis 2018 sinken die Investitionen um 41 Prozent auf 770 Millionen Euro; die Neuinvestitionen von 2012 bis 2018 um 23,53 Prozent auf 300 Millionen Euro. Während wir 2012 noch kein Geld aus dem Haushalt für den Hafen aufgewandt haben, werden solche Investitionen 2014 schon ein Viertel und 2020 sogar ein Drittel der Neuinvestitionen ausmachen. Das hat Konsequenzen: Wer "Haushalt finanziert Hafen" sagt, muss auch sagen, wo nicht mehr investiert wird, welche Bereiche vernachlässigt werden sollen.

Die Wunschliste der Hafenlobby ist lang und teuer: Die nächste Elbvertiefung, deren Kosten sich bereits auf gut 630 Millionen Euro verdreifacht haben, reicht der Lobby nicht aus - es wird bereits die übernächste Vertiefung vorbereitet. Zum Forderungskatalog zählen auch der Bau der A 20 mit einer extrem teuren Elbquerung bei Glücksstadt, der Bau der Y-Trasse quer durch Niedersachsen sowie ein ebenso teurer wie in weiten Teilen sinnloser Ausbau der Binnenwasserstraßen. Die Hafenquerspange wird seit mindestens 1969 ebenso dringend gebraucht wie erfolglos gefordert. Und über die große Unbekannte der Hafenfinanzierung, die neue Köhlbrandbrücke, die kaum unter zwei Milliarden Euro zu haben sein dürfte, haben wir dabei noch gar nicht geredet.

Es ist unstreitig, dass der Hafen eine Verbesserung der Hinterland-Anbindung braucht. Eine Prioritätenliste der Hafenlobby sucht man jedoch vergeblich. Einen Vorschlag, wer das bezahlen soll? Fehlanzeige! Es ist deswegen an der Zeit, Prioritäten zu diskutieren und zu fragen, welchen Beitrag die Hafenunternehmen selbst leisten können. Bei den Mieten und Pachten für Hafenflächen, die zum großen Teil der Stadt gehören, ist noch deutlich Spielraum nach oben. Die durchschnittliche Miete beträgt im Hafen 3,30 Euro pro Quadratmeter und Jahr. Würde dieser Spielraum genutzt, könnte der Haushalt erheblich entlastet werden.

Der Hafen braucht Investitionen, aber: Die Haushaltsmittel für den Hafen müssen im angemessenen Verhältnis zu seinem Nutzen für Beschäftigung, Wertschöpfung, Steuern stehen. Während die Kosten für den Hafen steigen, sinkt der Nutzen: Die Zahl der direkt Beschäftigten ist von 81 000 im Jahr 2001 auf 71 000 im Jahr 2010 gesunken, die hafeninduzierten Steuereinnahmen stagnieren - trotz Milliardeninvestitionen der Stadt.

Hamburg muss jetzt umsteuern. Schrittweise müssen die Einnahmen gesteigert werden, sonst wird die Stadt in Bezug auf Neuinvestitionen in praktisch allen anderen Bereichen - der Kultur, den Kitas, der Universität - gestaltungsunfähig, weil für sie kein Geld mehr da ist. Hier muss der Bürgermeister Farbe bekennen.