Eine Glosse von Christian-A. Thiel

Es war ein Bild von einem Mann, als Mario Balotelli nach dem zweiten Tor gegen die deutsche Nationalmannschaft seine beneidenswerten Muskelpakete unverhüllt unter den Stadionscheinwerfern präsentierte. Aus den blitzenden Augen des dunkelhäutigen Italieners stach ein Blick, der jedem, der ihn einfing, das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Bodybuilder benutzen diese archaische Pose in der Muckibude, wenn sie ihren Körper in eine perfekte Symmetrie bringen. Auch unsere haarigen Vorfahren mögen sich so gezeigt haben, wenn sie der Frau in der Höhle ihre Beute präsentierten oder den Nebenbuhler erledigt hatten.

Italiens trikotloser Super-Mario nahm die Gelbe Karte wegen des Verstoßes gegen die Schicklichkeit gleichmütig hin, verzichtete aber darauf, sich selbst gegen die Brust zu trommeln wie einst Tarzan, unser Dschungelheld. Zarte deutsche Spieler wie Philipp Lahm oder Mesut Özil sahen in diesem Moment ganz klein aus.

Aber der Muskelprotz kann auch ganz anders. Zärtlich umarmte er nach dem Spiel seine Adoptivmutter und schenkte ihr symbolisch seine Tore: "Die sind nur für dich."

Wir haben über Mario Balotelli während der EM einiges gelernt, was wir nie wissen wollten. Dass er schon mal mit Dartpfeilen auf Jugendspieler zielte, dass er Menschen, die ihn mit Bananen bewerfen, mit dem Tode bedroht, und dass sich seine Mal-Ex-mal-wieder-Freundin Raffaella mit Cristiano Ronaldo vergnügt haben soll.

Nur, dass dieser Mario Balotelli ein erstaunlicher Fußballspieler ist, haben die Deutschen leider erst auf dem Platz gemerkt.