Den Fußball neu erfinden? Das ist wohl kaum noch zu schaffen. Das gelang auch bei dieser Europameisterschaft nicht. Obwohl, ein bisschen neu war schon dabei. Die älteren Herren in den Funktionärszirkeln und Hüter des Regelwerks drücken, so hat es den Anschein, jetzt schon mal des Öfteren ein Auge zu. Oder sogar beide. Und so "gesehen" entwickelt sich der Fußball eben doch immer ein wenig weiter.

Das Spiel beginnt mit dem Anstoß. Und auch der kann falsch ausgeführt werden. Der Ball muss nämlich eigentlich nach vorne gespielt werden. Macht bei dieser EM aber keiner mehr. Und abgepfiffen wird das auch nicht mehr - die Schiedsrichter übersehen es gnädig. Und noch ein zweiter Regelverstoß kann beim Anstoß vorliegen: Kein Spieler darf beim Anstoß in der gegnerischen Hälfte stehen - tut trotzdem oft einer, um einen nach vorn gespielten Ball auf den Fuß zu bekommen. Ist verboten, aber niemand moniert es mehr.

Es gibt Wichtigeres.

Wie den Einwurf? Nein, der gehört schon lange nicht mehr zu den wichtigen Dingen. Früher wurde oft "falscher Einwurf" gepfiffen, heute achtet kaum noch ein Schiedsrichter darauf. Es wird beim Einwurf gelaufen, mit einer Hand geworfen, es wird gesprungen und auf einem Bein stehend geschmissen - das wird aber höchst selten noch gepfiffen.

Eine neuere Regel besagte zudem, dass ein Spieler den Schiedsrichter nicht anfassen darf. Beim Halbfinale zwischen Spanien und Portugal war das außer Kraft gesetzt, denn der türkische Unparteiische Cakir (ein guter Mann!) kennt keine Berührungsängste. Er wurde in den Arm genommen, er selbst nahm in den Arm.

Neu im Fußball war bei dieser EM auch, dass die Uefa (Europäische Fußball-Union) selbst "bunte Bilder" in die Fernseh-Live-Übertragungen einstreut. Da wurden Tatsachen verfälscht, um den Fußball in ein besseres Licht zu setzen. Ein bildschönes Eigentor - das soll zum Glück einmalig bleiben.

Die gestrengen Herren der Fußballverbände haben sich ja einst auch etwas dabei gedacht, als sie beschlossen, dass sich unmittelbar vor dem Spiel Schiedsrichter und Spieler begrüßen müssen. Gut gedacht. So sollte der Fair-Play-Gedanke gepflegt werden. Sollte. Was aber nützt es, wenn sich zum Beispiel ein Spielführer wie der Schwede Zlatan Ibrahimovic, der eigentlich ein Vorbild sein sollte, nur um die entgegengestreckten Hände "kümmert"? Ibrahimovic sah zwar auf diese Hände, drückte sie kurz, sah aber nicht den Menschen an, der ihm diese Hand gab. Unhöflich, aber: Abschaffen diese aufgezwungene Freundlichkeit.

Neu - und gut - war bei dieser EM, dass allein der Schiedsrichter entscheidet, ob das Spiel unterbrochen wird, wenn ein Spieler am Boden liegt.

Früher war zudem nicht erlaubt, dass während des Seitenwechsels in der Verlängerung die Betreuer auf den Rasen rennen. Heute ist es gestattet, um kurz Getränke zu reichen, um taktische Anweisungen gegeben. Warum auch nicht?

Und wer erinnert sich noch? Unsere Urgroßväter trugen einst sehr lange kurze Hosen beim Fußball. Heutzutage werden die Beinkleider wieder so lang, dass (fast) nichts Nacktes mehr zwischen Bauch und Fuß erkennbar ist. Zumindest was das angeht, ist Portugal die absolute Nummer eins.

Ja, und dann konnte selbst der HSV von dieser EM lernen: "Maulwürfe", die verraten, was eigentlich geheim bleiben soll, gibt es nicht nur im Aufsichtsrat des Hamburger Sport-Vereins. Nein, diese possierlichen Tierchen reisen jetzt sogar mit dem deutschen Nationalteam nach Polen.

Fazit: Revolutionäre Neuerungen hat diese EM nicht gebracht. Veränderungen aber gibt es sehr wohl, und die meisten davon sind durchaus sinnvoll. Ich jedenfalls kann damit bestens leben. Mal schauen, wie die Bundesliga-Schiedsrichter das sehen.

Die HSV-Kolumne "Matz ab" finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab