Blankenese. Er wirkt wie ein Mann ohne Fehl und Tadel. Alles korrekt vom Scheitel bis zur Sohle, die Haltung sehr aufrecht, das Haar makellos frisiert, die Kleidung Ton in Ton, die Stimme klar und deutlich. Dazu noch die privaten Verhältnisse wunderbar geordnet, das Eigenheim längst abbezahlt, die Vorstrafenkartei auch im eher fortgeschrittenen Alter von 69 Jahren tadellos blank, das Punktekonto beim Verkehrszentralregister in Flensburg ebenso, das Benehmen vorbildlich - oder doch nicht ganz?

Denn jetzt hat die Vita des Rentners offenbar einen unschönen Kratzer erhalten. Nicht unähnlich denen, die er im vergangenen März beim Einparken mit seinem Mercedes in einer viel befahrenen Straße in Blankenese dem BMW eines anderen Verkehrsteilnehmers zugefügt haben soll. Sodann, heißt es in der Anklage weiter, die Martin H. jetzt vor das Amtsgericht gebracht hat, habe sich der Rentner unerlaubt vom Unfallort entfernt. Ein Schaden von mehr als 1600 Euro sei an dem BMW entstanden. Jetzt ist da Ungläubigkeit, Empörung und vehementes Abstreiten. Martin H., ein Mann aus einem Dorf in Schleswig-Holstein, will die Vorwürfe so ganz sicher nicht auf sich sitzen lassen. Gut gerüstet mit Fotos von der Straße, in der der Unfall geschehen sein soll, ist er vor Gericht erschienen, und auf dem Weg zum Prozess sei er auch noch mal am angeblichen Unfallort vorbeigegangen und habe sich dort umgesehen, betont der 69-Jährige indigniert.

Von einem Arzttermin, den seine Frau und seine Schwiegermutter an jenem Tag in Hamburg hatten, erzählt er, und von dem leidigen Problem, einen Parkplatz zu finden. In Ermangelung eines solchen habe er die beiden Frauen vor der Arztpraxis aussteigen lassen und dann sein Auto in einer Einfahrt abgestellt. "Ich blieb am Steuer sitzen und döste, die Sonne schien. Da klopfte eine Dame an die Scheibe und bot an, ich könne ihren Parkplatz haben, sie fahre gleich weg." Er habe seinen Wagen umgeparkt. "Da stand noch ein schwarz-gelber Smart, an andere Autos erinnere ich mich nicht."

Er sei dann ins Wartezimmer des Arztes gegangen und wenig später mit Frau und Schwiegermutter wieder nach Hause gefahren. Alles ohne besondere Vorkommnisse, und irgendwelche Gespräche mit Passanten habe es auch nicht gegeben. Unterstützung bekommt der Angeklagte von seiner Frau. Es sei "wie immer schwierig gewesen, einen Parkplatz zu finden", plaudert die 62-Jährige. Doch eine Frau, die sie im Wartezimmer des Arztes kennengelernt habe, habe ihnen geholfen und ihren Stellplatz angeboten. "Später sind wir dann frohen Mutes nach Hause."

Doch diese Unbeschwertheit war nach Beobachtung einer Zeugin alles andere als angebracht. Sie habe damals einen Mercedes gesehen, der einparken wollte, erzählt Karin W. "Da hörte ich es auch schon knirschen, der Kotflügel eines dort abgestellten BMW wurde beschädigt." Ein Herr sei aus dem Mercedes ausgestiegen, habe das Unglück inspiziert und gesagt, er werde "da gleich einen Zettel befestigen". Als sie etwa zehn Minuten später erneut am Unfallort vorbeigekommen sei, habe sie bemerkt, dass der Mercedes des Unfallverursachers ein Stück die Straße hinauf geparkt war.

Über ihr sei ein Fenster des Wartezimmers einer Arztpraxis aufgegangen, derselbe Mann habe sich herausgebeugt und gesagt: "Meine Frau ist hier in der Sprechstunde; sobald sie fertig ist, befestige ich einen Zettel an dem BMW." Eine weitere halbe Stunde später habe sie erneut das beschädigte Auto passiert. "Es war immer noch kein Hinweis angebracht, aber der Mercedes war mittlerweile weg." Da habe sie ihre Visitenkarte an den Scheibenwischer geklemmt mit einer Notiz. "Die Nummer des Mercedes hatte ich mir von vornherein gemerkt, weil mir das etwas dubios vorkam." Die Zeugin spricht aus leidvoller Erfahrung: Ihr sei vor Kurzem etwas Ähnliches passiert. "Da war ich sensibilisiert." Ob sie den Herrn, mit dem sie damals gesprochen habe, wiedererkennen würde, möchte die Staatsanwältin wissen. "Ja", nickt Karin W. eifrig. "Das ist der Herr, der hier neben mir sitzt, 100-prozentig."

Nach Überzeugung der Staatsanwältin ist die Frau absolut glaubwürdig und Martin H. damit der Unfallflucht schuldig. Strafverschärfend sei, dass er versucht habe die Zeugin zu täuschen. Auf eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu 35 Euro plädiert sie, diesem Antrag folgt der Amtsrichter mit seinem Urteil. Der Angeklagte habe sich "nicht zu dem Unfall bekannt", moniert der Richter. Zudem spricht er ein Fahrverbot von drei Monaten für den Rentner aus, "im Sinne eines Denkzettels". Martin H. trägt es mit Fassung, scheinbar unberührt, die Schultern straff. Doch seine Frau macht ihrer Empörung über das Urteil gehörig Luft. Sie knallt die Tür zum Gerichtssaal ins Schloss, dass es nur so scheppert.