Statt der Selbstdarstellung über Marken-Mode rücken die individuellen Kompetenzen der Schüler in den Vordergrund

Kleiderordnung an Schulen? - Nein, danke! Junge Menschen müssen sich ausprobieren, ihre Fantasie ausleben dürfen. Sie haben ein Recht auf ihre Individualität. Eine Kleiderordnung, womöglich einheitliche Schulkleidung, würde die individuelle Entfaltung der Schüler deutlich beschneiden. So hört man häufig von überzeugten Gegnern dieser Idee.

Interessant, dass Verfechter einheitlicher Schulkleidung genau gegensätzlich argumentieren. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Schüler durch das Tragen von Schulkleidung ihre Individualität erst frei entfalten können, weil sie weder Mode- noch Markenzwängen unterliegen. In dem Moment, wo der auf der finanziellen Potenz der Elternhäuser basierende Kleiderwettbewerb zwischen Schülern nicht mehr möglich ist, hat jeder Einzelne die Chance, seine individuellen Kompetenzen zu zeigen.

Während sozial schwache Kinder und Jugendliche in Schulklassen häufig ausgegrenzt werden und nicht dazugehören, ist ihre materielle Benachteiligung in Klassen mit einheitlicher Schulkleidung wenigstens im Unterricht nicht zu erkennen. Schon Grundschüler mobben Mitschüler, die die falsche Kleidung tragen oder das falsche Equipment dabeihaben. Darum sollte schon hier mit dem Tragen einheitlicher Kleidung begonnen werden. Jeder Vorschüler könnte sich auf seine Einschulung freuen, weil er dann endlich den Schulpullover tragen darf und zu den "Großen" zählt.

Beachten sollte man, dass Deutschland sicher kein Land für eine Uniformierung, also ein einziges vorgeschriebenes Outfit für Schüler, ist. Eine Kollektion verschiedener Kleidungsstücke in den Schulfarben und mit dem Schullogo versehen, ist jedoch für alle Schulen gut vorstellbar. Als erste staatliche Schule in Deutschland führte die damalige Haupt- und Realschule Sinstorf (heute Lessing-Stadtteilschule) im Jahr 2000 einheitliche Schulkleidung ein. Mit jedem neuen Jahrgang änderte sich nicht nur das Bild auf dem Schulhof, denn als Schulfarben wurden Blau und Weiß bestimmt, sondern auch das Arbeitsklima in den meisten Klassen. Lehrkräfte, die täglich am Wir-Gefühl ihrer Schüler arbeiteten, erfuhren dabei durch die Schulkleidung effiziente Unterstützung. Die Schüler entwickelten eine Art Mannschaftsgefühl. Achtung und Höflichkeit wurden wichtiger als Selbstdarstellung. Ein besonders positiver Schulgeist war die Folge.

Junge Menschen, die die Schule als Arbeitsplatz und nicht als Ort für ihren täglichen Auftritt begreifen, haben bessere Noten. Schüler, die lernen, sich angemessen zu kleiden, verzichten an ihrem Arbeitsplatz auf tiefe Dekolletés und sichtbare Unterhosen. Die Fähigkeit, sich situationsgerecht kleiden zu können, ist ein wichtiger Baustein zum Erfolg. Schüler, die sich mit Schulkleidung beschäftigen, erarbeiten sich diese Kompetenz. Unterrichtsinhalte über Modetrends, Manipulation durch Medien und Bewerbungstraining helfen den Schülern bewusst zu machen, worauf es ankommt.

Immer gibt es aber auch die anderen, die es nicht schaffen, ihre Neigung zur Selbstdarstellung in den Griff zu bekommen. Häufig fehlt hier das positive Vorbild des Elternhauses. Für diese Schüler ist es kaum ein Unterschied, ob sie an der Schule lediglich einer Kleiderordnung folgen oder Regeln einhalten sollen. Sie empfinden jede Vorschrift als Beschneidung ihrer individuellen Freiheit. Für die meisten endet das nicht bei der Auflehnung gegen Kleidervorschriften. Wer aber keine Disziplin hat und Regeln nicht befolgen kann, hat nicht nur im Berufsleben weniger Erfolg, er wird es überall schwer haben.

Die Lessing-Stadtteilschule entstand 2010 aus dem Zusammenschluss dreier Schulen. Jeder neue Jahrgang startet seitdem wieder mit der sportlichen Schulkleidung. Nicht nur an Stadtteilschulen, wo die Schülerschaft nicht heterogener sein könnte, ist eine Kleiderordnung oder einheitliche Schulkleidung ein gutes Werkzeug bei der Erziehung zum "Wir". Selbstwertgefühl wird aufgrund von Persönlichkeit und Sozialkompetenz erworben, nicht über die Identifikation mit Kleidung. Schule ist ein Ort des Lernens. Wir dürfen uns nicht scheuen, hier Disziplin und Leistung zu fordern.

Warum nicht dabei die Chance einer Kleiderordnung oder sogar Schulkleidung nutzen?