Polizei in Hannover fahndet im sozialen Netzwerk Facebook erfolgreich nach Kriminellen. Bald auch in Hamburg? Datenschützer besorgt.

Hannover/Hamburg. Erfolg für ein umstrittenes Pilotprojekt der Polizei in Hannover. Seit März fahndet die Polizeidirektion der niedersächsischen Landeshauptstadt systematisch im sozialen Netzwerk Facebook nach Kriminellen. Jetzt wurden die Ergebnisse der Probephase vorgelegt: Acht flüchtige Personen konnten dank der Internetsuche festgenommen werden, darunter auch Täter, denen Kapitalverbrechen zur Last gelegt werden. In allen Fällen war die herkömmliche Öffentlichkeitsfahndung zuvor ohne Ergebnis geblieben. Datenschützer kritisieren die Vorgehensweise der Polizei scharf. Die preisgegebenen Daten würden für immer im Internet kursieren, hieß es.

60 Fahndungsaufrufe wurden in Hannover seit März über Facebook veröffentlicht. "Über soziale Netzwerke erreichen wir die junge Generation", sagt Stefan Wittke, Sprecher der Polizeidirektion: "Wir kommen ran an Täter, Opfer und Zeugen." Bei vielen Verbrechen seien die Beamten auf Hinweise junger Leute angewiesen. Männer zwischen 15 und 19 sind zum Beispiel die gewaltbereiteste Gruppe der Bevölkerung.

Und ein weiterer Vorteil: "Kommissar Facebook" erreicht eine riesige Aufmerksamkeit. Über den Button "Gefällt mir" der Polizei Hannover haben sich inzwischen 80 000 Nutzer angemeldet. Sprecher Wittke rechnet vor: Jeder dieser User habe in der Regel zahlreiche "Freunde"; wenn nur ein Teil von ihnen die Polizeihinweise ebenfalls zur Kenntnis nehme, führe dies zu einer noch nie da gewesenen Verbreitung von Fahndungsaufrufen.

Wittke verweist auf den Mordfall Annika: Die 21 Jahre alte Studentin war vor wenigen Wochen in Hannover von einem Unbekannten erschossen worden. Die Polizei stellte daraufhin eine Phantomzeichnung des Täters aufFacebook. Binnen weniger Tage wurden die Beamten von so vielen Hinweisen überschwemmt, dass sie die Skizze wieder aus dem Internet-Fahndungsaufruf herausnahmen, um die Tipps der User zunächst abzuarbeiten. Die Polizei lobt die Facebook-Nutzer: Viele seien "hoch motiviert, zu helfen" Natürlich gebe es üble Scherzbolde, aber von 25 000 Kommentaren habe man nur 25 löschen müssen.

Ob die Facebook-Fahndung jetzt in ganz Niedersachsen zum Polizeistandard wird, wird vom Innenministerium noch geprüft. Der Landesdatenschutzbeauftragte Joachim Wahlbrink warnt: "Der Server von Facebook steht in den USA. Dorthin werden alle Daten, auch Fahndungsfotos, transferiert. Dafür bedarf es einer Rechtsgrundlage, die ich nicht erkennen kann", sagte Wahlbrink dem Abendblatt. Facebook sei als amerikanische Firma zudem verpflichtet, den US-Sicherheitsbehörden Einblick in die Mitgliedsdaten zu gewähren.

Trotz der Datenschutzbedenken wird das niedersächsische Projekt auch von den Polizeibehörden in Hamburg und Schleswig-Holstein aufmerksam verfolgt. "Wir stehen in sehr engem Kontakt zu der Polizei in Hannover und prüfen, inwieweit Online-Fahndungen bei uns umsetzbar wären", sagt Hamburgs Polizeipressesprecher Mirko Streiber. Ein Problem dabei sei der enorm hohe personelle Aufwand. "Es müsste rund um die Uhr eine Betreuung des Internetauftritts gewährleistet sein, um schnell reaktionsfähig zu sein."

In Schleswig-Holstein lehnt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Online-Fahndung strikt ab. Niemand wisse, was mit den Daten im Internet passiere, hieß es. Das Landeskriminalamt in Kiel sieht es pragmatischer: EineFacebook-Fahndung sei in Zukunft "durchaus vorstellbar", so LKA-Sprecher Stefan Jung. Unabhängig davon sei die Polizei schon jetzt immer häufiger online unterwegs. "In Schleswig-Holstein finden bereits 30 Prozent aller Betrugsfälle im Internet statt."