Er wirft ein Schlaglicht auf den Kreislauf von Armut und Benachteiligung, der durchbrochen werden muss

Es gibt den Tag des Kopfschmerzes, der Poesie und der Schildkröten, den Weltlachtag, den Weltgesundheitstag und den Internationalen Frauentag. Und nun auch noch an jedem kommenden 11. Oktober einen von der Uno international anerkannten Tag für die Mädchen. Ist das nötig, werden viele sagen und die Augen verdrehen? Ja. Unbedingt. Er wird dazu beitragen, die Welt zu verändern. Natürlich geht es dabei darum, einmal im Jahr die politische und die gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu nutzen, um auf Diskriminierung von Mädchen und Jungen schon von Geburt an hinzuweisen. Aber auch um noch viel mehr. Der Tag wird ganz konkret ein Schlaglicht auf das werfen, was daraus in vielen Ländern dieser Erde für Mädchen entsteht: Hunger, Erniedrigung, Misshandlung, Verstümmelung, Analphabetismus.

Auch bei uns in Deutschland erleben Mädchen, dass sie nicht gleich behandelt werden wie Jungen, sei es beim Sport oder später im Beruf. Zu Frauen erwachsen streiten wir um gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit oder eine Quote in Managerpositionen. Das ist wichtig, aber seit meinen weltweiten Reisen in die entlegensten Länder erscheint mir dies fast wie ein Luxusproblem im Vergleich zu dem, was Mädchen vor allem in den Entwicklungsländern noch immer durchmachen müssen - nur weil sie Mädchen sind.

Mädchen laufen dreimal häufiger Gefahr, unter- oder fehlernährt zu sein, als Jungen. Jede dritte Frau weltweit wird in ihrem Leben vergewaltigt oder misshandelt. 65 Millionen Mädchen weltweit gehen nicht zur Schule. Von den 796 Millionen Analphabeten weltweit sind zwei Drittel Frauen. Erkrankungen als Begleitung oder Folge von Schwangerschaften sind noch immer weltweit die häufigste Todesursache von jungen Frauen zwischen 15 und 19 Jahren weltweit. 60 bis 100 Millionen Mädchen und Frauen fehlen weltweit ganz, weil sie gar nicht erst zur Welt kommen durften. Sie wurden abgetrieben oder sind aus Vernachlässigung früh gestorben. Ein Mädchen im Südsudan wird eher an den Folgen einer frühen Schwangerschaft sterben, als zur Schule zu gehen. Jährlich werden zwei Millionen Mädchen an den Genitalien verstümmelt - mit furchtbaren, oft tödlichen Folgen. Nur weil sie Mädchen sind.

Das Kinderhilfswerk Plan Deutschland, das ich seit 1992 gern unterstütze, macht seit 2003 auf diese Situation aufmerksam und hat für seine Mädchen-Initiative genau diesen Satz entliehen: "Weil wir Mädchen sind". Daraus wird nun für eine weltweite Kampagne "Because I am a girl" - mit einem großen Anspruch. Das Leben von vier Millionen Mädchen soll dadurch direkt positiv verändert werden. Der erste Schritt dazu wird der Welt-Mädchentag sein, der so erfolgreich von Plan bei der Uno, der EU und Regierungen auf der ganzen Welt durchgesetzt wurde. Ich habe mich sehr gefreut, dass auch die deutschen Parlamentarier im vergangenen September mit großer Mehrheit die Uno aufgefordert hat, diesen Tag anzuerkennen.

Die Mädchen haben die Kraft, den Kreislauf von Armut und Benachteiligung zu durchbrechen. Sie sind die Lösung. Ein zusätzliches Jahr Schulbildung kann laut Weltbank das spätere Einkommen eines Mädchens um zehn bis 20 Prozent erhöhen. Kann ein Mädchen in Entwicklungsländern sieben oder mehr Jahre zur Schule gehen, heiratet sie vier Jahre später und bekommt im Durchschnitt zwei Kinder weniger. Damit steigen wieder die Überlebenschancen der anderen Kinder. Sind die Mütter in die Grundschule gegangen, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Kinder sterben, bevor sie fünf Jahre alt sind, um 40 Prozent. Überhaupt sinkt das Risiko für Kinder zu sterben mit jedem zusätzlichem Schuljahr der Mutter um fünf bis zehn Prozent. Viele dieser Zahlen aus internationalen Studien stehen in den jährlichen Berichten, die Plan zur Situation der Mädchen herausgibt.

Bildung von Mädchen ist der Schlüssel zu so vielen Problemen. Und der Grund, warum sie oft nicht zur Schule gehen, ist für uns manchmal fast banal. Das habe ich gerade bei einem Besuch in Äthiopien erlebt. Wenn es keine getrennten Toiletten gibt, dürfen die Mädchen oft nicht zur Schule gehen. Der Bau einer neuen Toilette hat also oft schon große Wirkung. Oder der Ausbau der Wasserversorgung. Wenn die Mädchen nicht mehr den ganzen Tag damit beschäftigt sind, Wasser zu holen, können sie zur Schule gehen.

Ein Mädchentag macht die Mädchen sichtbar. Sie müssen die Möglichkeit haben, zu zeigen, was sie können. Überall auf der Welt.