Gegen Nachmittag fahren Autos in das osttürkische Dorf Erzincan. Alle Bewohner gucken mit großen Augen auf die braunen Geländewagen. Männer steigen aus. Es sind Soldaten.

Alle laufen kreuz und quer, keiner weiß, wohin. Zulfinaz sucht ihre Familie, doch sie findet keinen. Auf einmal spürt sie einen dumpfen Schmerz an ihrem Hinterkopf. Ein Soldat zieht sie an ihren Haaren in einen der bereitstehenden Busse. Sie schreit und weint. Als sie aus dem Fenster schaut, ist alles leer. Es sind keine Menschen, außer den Soldaten, zu sehen. Sie fahren drei Tage und drei Nächte. Wenn Zulfinaz Hunger hat, wird ihr ein Stück trockenes Brot gereicht. Und wenn sie mal ein Wort sagen möchte, wird sie von den Soldaten bedroht. Sie kommen in eine moderne Stadt und halten vor einem riesigen Haus mit hohem Zaun. Sie und die anderen werden gewaltsam aus dem Bus gezerrt. Sie sieht endlich ihre Mutter und Geschwister wieder. Viele weinen.

Es kommen Männer in Anzügen in den Raum. Einer kann die unbekannte Sprache übersetzen: "Siz birdaha Kürtce konusmiacaksiniz yoksa sizin hayatinizi muaf ederiz." "Ihr werdet nie wieder kurdisch reden, sonst werden wir euer Leben zerstören."

Diese Geschichte ist nicht ausgedacht. Meine Oma Zulfinaz Karli hat sie mir erzählt. Sie lebt heute in Deutschland und ist eine zufriedene deutsche Mitbürgerin.