Den unzweifelbaren Erfolgen der Krisengipfel stehen kaum kalkulierbare Risiken gegenüber. Und Euro-Bonds rücken näher

Kanzlerin Merkel und der französische Präsident Sarkozy werden als Sieger des letzten Brüsseler Euro-Krisengipfels gefeiert. Es ist ihnen in der Tat gelungen, einer europäischen Stabilitäts-Union einen großen Schritt näher zu kommen. Erhebliche Schützenhilfe haben sie vom britischen Premier Cameron bekommen, der es durch Starrsinn geschafft hat, Großbritannien zu isolieren und alle anderen - auch die zögernden - EU-Staaten ins deutsch-französische Boot zu treiben. Dabei wollte er nur den britischen Finanzsektor, der maßgeblich zur Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 beigetragen hat, vor einer Regulierung bewahren. Ein verhängnisvoller Fehler, wie sich zeigen wird.

Die von Merkel und Sarkozy weitgehend formulierten und von 26 EU-Ländern gebilligten Beschlüsse enthalten drei wesentliche Ergebnisse:

1. Alle Länder schreiben eine Schuldenbremse in ihre Verfassungen, die ein maximales jährliches Haushaltsdefizit von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erlaubt.

2. Weist ein Land ein Haushaltsdefizit von mehr als drei Prozent des BIP aus, verhängt die EU-Kommission automatisch Sanktionen, die nur eine Mehrheit der Staaten ablehnen kann.

3. Die Kommission und der Ministerrat überwachen die Haushaltsplanung der Staaten und können Pläne von Defizitländern zurückverweisen.

Diese Vorschriften begrüße ich ohne Einschränkung. Sie sind wichtige Elemente einer europäischen Fiskalunion und können die Stabilisierung erheblich erleichtern. Bei der rechtlichen Umsetzung können jedoch drei große Probleme auftreten: Die Parlamente von 26 EU-Staaten müssen dem noch zustimmen, die Regelungen dürfen den EU-Verträgen von Lissabon nicht widersprechen und müssen mit den nationalen Verfassungen vereinbar sein. Besonders bei unserem Verfassungsgericht habe ich Bedenken, ob die Eingriffe in das Haushaltsrecht des Bundestages hingenommen werden. Doch ohne Risiko klappt in Europa nichts.

Diesen unbezweifelbaren Erfolgen stehen leider Sachverhalte gegenüber, die der bisherigen Politik der Bundesregierung entgegengesetzt sind.

1. Der europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) mit einem Kreditvolumen von 500 Milliarden Euro soll ein Jahr vorgezogen werden und im Juli 2012 in Kraft treten. Der Rettungsschirm (EFSF) mit 450 Milliarden Euro wird aber bis Mitte 2013 weiterlaufen. Das bedeutet, dass die Euro-Länder mindestens ein Jahr für 950 Milliarden Euro Risiko haften, eine Zahl, die vorher nie im Gespräch war. Natürlich wird der ESM nicht sofort voll ausgeschöpft, doch müssen 2012 und 2013 je etwa 500 Milliarden Anleihen der wackeligen Staaten refinanziert werden. Dies muss dem Gipfel bekannt gewesen sein, denn im März 2012 soll überprüft werden, ob die Volumina von EFSF/ESM ausreichen oder aufgestockt werden müssen, was vorher immer abgelehnt wurde.

2. Bei einem etwaigen Schuldenschnitt eines Defizitlandes werden private Gläubiger nicht mehr zur Kasse gebeten - nur noch die Steuerzahler. Die Beschlüsse zu Griechenland bleiben eine einmalige Ausnahme. Dies soll die Finanzmärkte beruhigen, beendet jedoch die Politik der Lastenverteilung zwischen Privatinvestoren und Staat.

3. Die 26 EU-Länder sollen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zusätzlich bis zu 200 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um Krisenländer zu stützen. Das ist ein Taschenspielertrick, der verschleiern soll, dass die Notenpresse in Gang gesetzt wird, denn das Geld kommt von den einzelnen Notenbanken und der europäischen Zentralbank (EZB).

Die Reaktion der Finanzmärkte wird zeigen, ob die guten Ergebnisse des Gipfels oder die Schönheitsfehler höher eingeschätzt werden. Bei negativer Reaktion wird die Schuldenkrise nur noch durch Intervention der EZB zu lösen sein. Im positiven Fall können die Beschlüsse in Ruhe umgesetzt werden. Dann ist der Weg frei für die umstrittenen Euro-Bonds.