Der Ex-Minister ist als EU-Berater wieder in der Politik. Doch sein aktuelles Buch deutet auf beachtlichen Realitätsverlust

Es ist ein Schauspiel, es ist eine Groteske, die sich in ihrer Lächerlichkeit nur schwer überbieten lässt. Karl-Theodor zu Guttenberg hat seine Doktorarbeit abgeschrieben, das ist seit Februar 2011 öffentlich. Seine Leistung, wenn man denn schon von einer solchen sprechen möchte, besteht darin, aus den Hausarbeiten, Zeitungsartikeln und Fachaufsätzen einen relativ geschlossen wirkenden Text geformt zu haben, der sich einigermaßen flüssig liest. Ansonsten muss man sagen: Vieles nur geklaut, den eigenen Doktorvater betrogen, die eigene Universität getäuscht, die wissenschaftliche Öffentlichkeit in die Irre geführt.

Der Betrug lässt sich für jeden, der mag, auf dem eigens eingerichteten Wiki Guttenplag nachvollziehen. Und jedem Schulkind ist klar, dass man nicht unabsichtlich abschreiben kann, schon gar nicht auf ein paar Hundert Seiten. Aber genau dies behauptet der ehemalige Minister, der sich dieser Tage zum ehrenamtlichen Internet-Berater der EU küren ließ ("Ich habe persönlich die Macht des Internets erfahren"), nach wie vor, nachzulesen in seinem gerade erschienenen Interviewbuch.

Dass Guttenberg der CSU, die ihn bis an die Grenze des Erträglichen gestützt hat, in diesem sich über 200 Seiten hinziehenden Gespräch beiläufig den Charakter einer Volkspartei abspricht - geschenkt. Dass er die Europapolitik der Regierung, zu der er eben noch gehörte, kritisiert - das mag man für unfein halten. Dass er, der vom Amt Zurückgetretene, mit der Idee einer Parteigründung kokettiert - das kann einem absurd vorkommen. Dass er aber behauptet, nicht bewusst abgeschrieben zu haben, und seine einstige Heimatuniversität attackiert, deutet, wie der Bayreuther Jurist Oliver Lepsius zu Recht vermerkt, auf einen Realitätsverlust hin.

Und eben in diesem Moment einer so selbstbewusst formulierten Leugnung beginnt die Groteske - ein Hochstapler ist es, der für seine Hochstapelei letztlich dann eben doch nicht verurteilt werden möchte.

Es gab zu viele Dateien, so lässt er seinen Interviewer wissen; er sei überlastet gewesen, er habe den Überblick verloren, die viele Arbeit, der Druck der Familie, die beständige Anspannung. Natürlich, so meint er, sei diese Arbeit ungeheuer schlecht. Aber sie sei eben kein Plagiat.

Das heißt: Was dieses Buch illustriert, ist die versuchte Umdeutung eines Skandals - und zwar im Augenblick des scheinbaren Eingeständnisses, im Moment der vermeintlich ernsthaften Entschuldigung.

Aus einem gezielten Täuschungsmanöver soll ein Überlastungssymptom werden, aus dem Betrug die einfache Überforderung, aus dem bewussten Fake das hilflose Spiel mit leider irgendwie falsch einsortierten Disketten. Guttenberg möchte einfach nur furchtbar durcheinandergeraten sein. Sein so rasant promotetes Interviewbuch, das eigentlich den Skandal aus der Welt schaffen sollte, hat einen zweiten Skandal produziert, der in dem Umgang mit dem Skandal besteht. Seine haltlose Rechtfertigung hat die Empörung nur verstärkt.

Vielleicht hat Guttenberg im Ernst geglaubt, sein Comeback ließe sich derart schlicht in Szene setzen. Aber man möchte fast hoffen, dass der einst in Deutschland gefeierte Polit-Star in dieser Frage tatsächlich spielt, dass er nun erneut täuscht und trickst. Und dass die geschockten Parteifreunde, die Wissenschaftler und die staunende Öffentlichkeit letztlich nur einem raffiniert inszenierten Experiment beiwohnen. Es handelt, ganz altmodisch formuliert, von dem Wert und dem Ethos der Glaubwürdigkeit.

Sollte Guttenberg in absehbarer Zeit erneut ein hohes Amt übernehmen oder als Parteigründer reüssieren, dann wäre dieses Experiment gescheitert - und bewiesen, dass Glaubwürdigkeit als politische Kategorie nicht wirklich zählt.

Sollte jedoch, wie nun trotz seiner neuen ehrenamtlichen Aufgabe als Berater in Internetfragen in Brüssel zu erwarten ist, sein Comeback misslingen, dann hätte das Rückkehr-Spektakel doch sein Gutes gehabt: Die Grenzüberschreitung hätte die Grenze gezeigt und die Unmoral schließlich die Geltung der Moral.

Das wäre dann ein echtes Verdienst des Karl-Theodor zu Guttenberg.