In der Umweltpolitik setzt Europa nach Durban auf alles oder nichts, wie Energiekommissar Oettinger noch diese Woche bestätigen wird

Für die europäische Klimadiplomatie war der Gipfel von Durban ein großer Erfolg. Mit einer unnachgiebigen Verhandlungsstrategie hat die EU bewiesen, dass sie nach wie vor die Führungsrolle in der internationalen Klimapolitik einnimmt. Die Europäer haben in Durban das Maximum dessen herausgeholt, was im Vorfeld der Konferenz erwartet werden konnte. Mehr war gegen den Widerstand der Klimaschutz-Blockierer nicht durchzusetzen.

Doch leider ist eine erfolgreiche Klimadiplomatie nicht immer auch ein Erfolg für den Klimaschutz. Dies zeigt sich deutlich am zentralen Beschluss von Durban, bis 2015 einen globalen Weltklimavertrag auszuhandeln und bis 2020 ratifizieren zu wollen.

Auch wenn die Europäer nicht gerne darüber sprechen: Dieser Fahrplan ist gleichbedeutend mit der Aufgabe des Zwei-Grad-Ziels, das bislang im Zentrum der globalen Klimapolitik steht. Um den Temperaturanstieg entsprechend begrenzen zu können, müssten die Treibhausgas-Emissionen in den nächsten neun Jahren bereits leicht sinken, bevor ab 2020 Jahrzehnte drastischer Reduktionen notwendig wären.

Die weltweiten Emissionen steigen jedoch seit Jahrzehnten ungebremst an. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Auch von dem in Durban vereinbarten Fahrplan werden keine kurzfristigen Reduktionsanstöße ausgehen.

Die ganze Aufmerksamkeit wird sich auf den alles entscheidenden Klimagipfel Ende 2015 richten. Es spricht jedoch wenig dafür, dass sich China, Indien und die USA in den nächsten Jahren auf weitreichende Zugeständnisse einlassen werden. Zugleich gibt das kollektive Warten auf den einen "großen Wurf" vielen unwilligen Staaten und Industriezweigen die Möglichkeit, ihren mangelnden Ehrgeiz mit Verweis auf das fehlende globale Abkommen zu legitimieren.

Sollte die Weltklimakonferenz 2015 ebenso mit Hoffnungen überladen werden wie der Kopenhagener Gipfel 2009, dann wäre das Risiko eines Scheiterns enorm. Für den Klimaschutz wäre ein "Kopenhagen II" fatal. Das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit des Uno-Systems würde erodieren, die Bereitschaft zur globalen Kooperation ebenso. Angesichts wachsender Emissionen und der zunehmend düsteren Prognosen prominenter Klimaforscher droht dann ein klimapolitischer Fatalismus, der technische Methoden der Klima-Manipulation als letzten Ausweg erscheinen ließe.

Selbstverständlich lässt sich die Entwicklung der kommenden Jahre nicht exakt vorhersagen. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass 2015 ein Vertrag verabschiedet wird, der alle gewünschten Elemente enthält: ehrgeizige Reduktionsziele, Gültigkeit für alle Industrie- und Schwellenländer sowie wirksame Sanktionsmechanismen.

Selbst wenn sich eine Klimakonferenz eines Tages auf einen umfassenden Vertrag einigen könnte, stünde ein mindestens fünfjähriger Ratifizierungs-Marathon bevor. Sollte sich etwa im US-Senat keine Zweiddrittelmehrheit für das Vertragswerk finden, wäre all das Warten umsonst gewesen. Angesichts dieses Risikos darf die EU nicht alles auf eine Karte setzen. Sie muss beweisen, inwieweit pragmatische Fortschritte auch ohne globalen Klimavertrag technologisch umsetzbar, für die Energieversorgungssicherheit förderlich und wirtschaftlich zumindest nicht nachteilig ist. Dazu benötigen die europäischen Unternehmen jedoch langfristig klare Rahmenbedingungen.

Die EU spielt in der Klimapolitik bislang "Alles oder nichts". Die sehr ehrgeizigen europäischen Klimaziele für die Zeit nach 2020 stehen unter dem expliziten Vorbehalt, dass ein globales Abkommen zustande kommt - so auch nachzulesen in der "Energy Roadmap 2050", die EU-Energiekommissar Oettinger noch in dieser Woche vorlegen wird.

Das davon ausgehende Signal ist fatal. Wenn der Klimavertrag nicht kommt, dann könnte die begonnene Transformation der europäischen Volkswirtschaften auch wieder abgebrochen werden. Deshalb sollten sich die EU-Mitgliedstaaten schleunigst darauf einigen, welche Klimaziele sie nach 2020 für den Fall verfolgen wollen, dass der globale Vertrag doch nicht kommt.

Wenn die EU ihre Klimapolitik dauerhaft auf eine stabile Grundlage stellen will, braucht sie einen Plan B.