Es war ein Massagekoffer, an dem Franz Beckerbauer seine ganze Wut ausließ. Mit voller Wucht trat Beckenbauer am 1. Juli 1990 in der Mailänder Kabine gegen das Utensil, bellte dann Jürgen Klinsmann an: "Spiel gefälligst wie der Klinsmann und nicht wie Pelé." Nur ein Mann trotzte in den Minuten nach dem deutschen 1:0-Viertelfinalsieg über die Tschechoslowakei der Hektik. "Franz", sprach Pressechef Wolfgang Niersbach, "wir sind im Halbfinale, beruhige dich." Brav schritt Beckenbauer ins Scheinwerferlicht, lobte vor den TV-Kameras seine Mannschaft ("Wir gehören zu den vier besten Teams der Welt"), um sie drei Minuten später in der Kabine wieder wüst zu bepöbeln: "Ihr seid eine total blinde Truppe."

21 Jahre nach dieser Episode der WM 1990 in Italien steht Wolfgang Niersbach, 61, als designierter Nachfolger des DFB-Präsidenten Theo Zwanziger vor dem krönenden Abschluss seines Marsches durch die Fußballinstitutionen. Beckenbauer, 66, verabschiedet sich dagegen gerade aus der Welt der Fußballfunktionäre. Ehrenpräsident beim FC Bayern, das ist sein letzter offizieller Titel. Kaiser bleibt er für immer. Kein anderes Wort hat in Fußball-Deutschland dieses Gewicht. Als Beckenbauer sich nur wenige Stunden nach der überraschenden Rücktrittsankündigung Zwanzigers für Niersbach starkmachte, war der Weg für den Rheinländer an die Verbandsspitze frei.

Ihre Freundschaft entstand in jenen sonnigen italienischen Wochen vor über zwei Jahrzehnten. Schon damals war Niersbach der perfekte Diplomat für den mitunter cholerischen Beckenbauer. Am Ende, nach dem Gewinn des WM-Titels, schenkte der Teamchef seinem Pressechef seine Goldmedaille als Zeichen der Dankbarkeit.

Ohne Frage steckt ein gehöriges Stück gegenseitige Bewunderung in dieser Freundschaft. Niersbach schrieb als junger Sportreporter über die Triumphe Beckenbauers - es mussten mitunter fast zwangsläufig Elogen sein. Beckenbauer, Sohn eines Oberpostsekretärs aus einem Münchner Arbeiterviertel, imponierte die Sprachgewandtheit seines Pressechefs: "Wie der zwischen Deutsch, Englisch und Französisch wechselt, das ist super." Fast immer ist Beckenbauer später den Ratschlägen seines Freundes gefolgt - erst recht auf der Welcometour vor der WM 2006, als er mit Niersbach alle 31 Gastländer besuchte und in 50 Tagen dreimal um die Welt jettete. Vor der Papst-Audienz empfahl Niersbach, der Kaiser möge Benedikt XVI. einen WM-Wimpel überreichen. "Bist denn deppert, das kann man beim Papst nicht machen", meinte Beckenbauer. Er überreichte den Wimpel dann doch; der Papst war gerührt.

Die so erfolgreiche WM, das Sommermärchen schlechthin, festigte Niersbachs Ruf als glänzender Organisator. Die Beförderung zum Generalsekretär war die logische Konsequenz. Beim Verband sagen sie, dass der Chef auch in extremen Stresssituationen - etwa bei der sich ausweitenden Schiedsrichteraffäre - nie die Ruhe verliere. Nicht die schlechteste Voraussetzung für den künftigen Job des Präsidenten des größten Einzelsportverbandes der Welt mit 6,7 Millionen Mitgliedern. Helfen werden ihm die Diplomatiekünste, die er an der Seite Beckenbauers erlernte - etwa, als der Kaiser beim WM-Zwischenstopp von einem arabischen Herrscherkollegen wissen wollte, wie das nun mit dem Harem wirklich funktioniere. Sein größtes Plus bleibt die Freundschaft zu Beckenbauer, der derzeit fast im Stundentakt erklärt, dass "es für den Präsidentenjob keinen Besseren geben kann als den Wolfgang".

Dennoch hat Niersbach "Riesenrespekt" vor dem Amt, entsprechend ernst wirkte er bei seiner Präsentation in der DFB-Zentrale. Im Herzen bleibt er dennoch Rheinländer, der nur für ganz wichtige Anlässe den Rosenmontagspflichttermin in Düsseldorf sausen lässt. Etwa, als ihn das Abendblatt im Februar 2010 bat, bei der Sportgala eine Laudatio auf Preisträger Günter Netzer zu halten. Dort enthüllte er ein Bild mit den Worten: "Lieber Günter, du giltst immer als ein lauffauler Spieler. Jetzt zeige ich den Gegenbeweis." Das Foto zeigte den Spielmacher stehend an der Eckfahne. Netzer hat herzlich gelacht.