Weil Eichhörnchen so niedlich sind, werden sie gerne gefüttert. Folge: Die Tiere in der Stadt vermehren sich und werden abhängiger.

Hamburg. Weg ist es. Gerade als die Kamera bereit ist, hat es sich mit einem wagemutigen Sprung ins Dickicht geflüchtet. "Schade", sagt der zweibeinige Verfolger dann meist. Diese Pinselöhrchen, dieser Puschelschwanz, der weiße Bauch und überhaupt - Eichhörnchen sind putzig. Es ist schwer, jemanden zu finden, der diese kleinen Tiere nicht mag.

Auch Birte Alber und ihr Partner Carsten Cording, beide 46, gehören zu den Fans. Die beiden haben Glück, denn im Innenhof ihres Wohnhauses in der Neustadt leben gleich mehrere Eichhörnchen, sodass sie die Tiere täglich beobachten können. Nun haben sie ihre Erfahrungen aus einem Herbst, Winter und Frühling mit ihren tierischen Nachbarn in einem Buch veröffentlicht. "Das Eichhörnchenbuch. Unsere wilden Nachbarn", heißt es und bietet neben Informationen über Ernährung, Fortpflanzung und Lebensraum der Tiere 148 Abbildungen.

"Wir wollten selbst das Buch machen, das uns gefehlt hat", sagt Birte Alber. Die Illustratorin arbeitet von zu Hause aus und hatte damit die besten Beobachtungsbedingungen. Als sie nach Informationen suchte, um ihre kletternden Nachbarn besser verstehen zu lernen, stellte sie fest, dass es bisher kaum Literatur über Eichhörnchen gibt. In den Monaten darauf lag die Kamera immer griffbereit, und das Material zum Buch entstand. "Ich finde es toll, dass es die Tiere hier mitten in der Stadt gibt", sagt Alber.

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"Eichhörnchen sind nördlich der Elbe sehr weit verbreitet", sagt Wolfgang Prott, Abteilungsleiter im Naturschutzamt der Stadt. Je mehr Bäume es gibt, umso mehr Tiere. Gerade Quartiere mit einem Park in der Nähe oder vielen Stadthäusern, die einen Garten haben, sind mit vielen Eichhörnchen gesegnet. Südlich der Elbe gibt es die meisten in den Gebieten Fischbeker Heide, in den Vier- und Marschlanden und der Süderelbmarsch. Aber auch in der Innenstadt fühlen sich die Tiere wohl. Kein Wunder - schließlich werden sie von ihren menschlichen Fans gut versorgt. "Verhungern müssen Eichhörnchen heute nicht mehr", sagt Heinz Peper, 61, Biologe beim Naturschutzbund. Denn dank der Menschen, die sie mit Nüssen versorgen, kommen sie gut über den Winter. Instinktiv verbuddeln sie zwar ihren Vorrat, aber aus vielen vergessenen Eicheln und Bucheckern werden dann im Frühjahr Baumtriebe. Wegen dieser guten Bedingungen ist die Population über die Jahre größer geworden. Wie viele es gibt, wird nicht erhoben.

Besonders jetzt sind viele der Kletterer zu beobachten, denn mangels schützender Blätter an den Bäumen ist der Blick auf ihr Territorium frei. "Die Wildtiere werden auch immer zutraulicher", sagt Peper. "Nicht zuletzt weil sie wissen, dass sie von Menschen Essen bekommen oder dort, wo welche waren, vielleicht Krümel herumliegen." Dagegen hat der Umweltschützer auch gar nichts, allerdings sollten Eichhörnchenliebhaber möglichst Nüsse kredenzen und dafür einen speziellen Futterautomaten verwenden. "Das Vogelhäuschen ist keine gute Lösung, da kommen sich die Tierarten nur in die Quere", sagt Peper. Und während die Eichhörnchen ein Problem für kleine Vögel sein können, sind es deren große Verwandte für die Nager. Denn neben ihrem größten Feind, dem Baummarder, sind auch Greifvögel wie Mäusebussarde und Eulen eine Gefahr. Um sich zu schützen, bauen die Eichhörnchen gleich mehrere Eigenheime, sogenannte Kobel. Denn so weiß der Feind nicht, wo genau sich das potenzielle Futter aufhält, und es gibt immer ein Ausweichheim, wenn ein Kobel zerstört wird. Längerfristig gesehen sind Grauhörnchen, die nordamerikanischen Verwandten unserer roten Eichhörnchen, eine echte Bedrohung. Denn die großen Tiere drohen die einheimischen zu verdrängen - so, wie es bereits in England passiert ist. Eingeführt wurden die eigentlich von der Natur mit viel Wasser von den in Europa lebenden Hörnchen getrennten Grauhörnchen übrigens durch den Menschen.

"Die größte Gefahr für Eichhörnchen sind überhaupt Menschen, die aus Versehen, durch Unwissen oder bewusst den Tieren schaden", sagt Sabine Bergner-Rust, 51, die in Bergedorf eine Auffangstation für die Nager betreibt. Diese gehört zum Verein Eichhörnchen Notruf (Telefon 0700/200 200 12). 80 Eichhörnchen versorgt die Bergedorferin pro Jahr, meist sind es Junge ohne Eltern. Manchmal kann sie den Tieren, die zu ihr gebracht werden, nicht mehr helfen. Einige haben Insektengift konsumiert, andere wurden überfahren. "Die Stadt ist bis auf größere Parks kein guter Lebensraum für die Wildtiere", sagt Bergner-Rust.

Sie rät auch dazu, nur kleine Futtermengen zu geben - die Hörnchen sollen selbstständig bleiben. "Ich nenne das Hilfe zur Selbsthilfe." Ein Prinzip, an das sie sich auch selbst hält. Die ersten Wochen sind Jungtiere bei ihr im Haus. Inklusive Kuscheleinheiten. "Alle Neugeborenen brauchen Nähe", sagt sie. Aber nach spätestens zwölf Wochen beginnt die Auswilderung, und ab dann ist Handkontakt untersagt. "Natürlich fällt mir das schwer", sagt Bergner-Rust. "Schließlich finde ich die Tiere sehr niedlich. Aber ich liebe es, wenn sie anmutig durch die Bäume springen - und das können sie nur in ihrem natürlichen Lebensraum richtig gut."