Sechs Monate lang war Der Zug der Ideen in Europa unterwegs. Von Mitte April bis Ende September legte Hamburgs Botschafter zur Umwelthauptstadt rund 15 000 Kilometer zurück und machte immer einige Tage Station. Die Ausstellung zu den Themen Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz erreichte 70 000 Besucher. Was Europa über den Zug und Hamburg als Umwelthauptstadt denkt und was die Metropolen selbst für den Umweltschutz tun, hat das Abendblatt zusammengestellt.

Warschau, "Gazeta Wyborcza"

Ich beneide Hamburg. Die Stadt hat es geschafft, "Green Capital of Europe" zu werden - darauf kann sie stolz sein. Und noch eines haben die Verwaltung und die Bürger geschafft: Sie haben es publik gemacht. Erreicht haben sie dies durch eine mobile Öko-Ausstellung in Containern: den "Train of Ideas". Zuvor wurde den Siegern des Wettbewerbs "European Green Capital" kaum Aufmerksamkeit geschenkt, zumindest in der polnischen Öffentlichkeit.

Dank dem "Zug der Ideen" war ich zum ersten Mal in Hamburg. Da ich mich am meisten für Raumplanung und moderne Architektur interessiere, habe ich die meiste Zeit in der HafenCity zugebracht. Nachdem ich darüber in der "Gazeta Wyborcza" geschrieben hatte, konnte ich erfreut feststellen, wie oft Hamburg danach als gutes Beispiel angeführt wurde. Wo suchen jetzt unsere Architekten für den ausgedienten Weichsel-Hafen Port Praski nach Inspiration? In der HafenCity!

In welchen Punkten kann Hamburg von Warschau lernen? Dass es sich lohnt, in Straßenbahnen zu investieren - das umweltfreundlichste öffentliche Verkehrsmittel. Die Renaissance dieses Verkehrsmittels ist weltweit zu beobachten. (Dariusz Bartoszewicz)

Antwerpen, "Gazet van Antwerpen"

Nachhaltigkeit soll zu einer einfachen Wahl gemacht werden, den Einwohnern soll es einfach gemacht werden, sich für Nachhaltigkeit zu entscheiden. So sieht in Antwerpen die Richtlinie der Politik aus. In den Grundzügen stimmt die Politik Hamburgs mit der Antwerpens überein.

Wie bewegt man die Leute, Häuser zu isolieren, ohne sie mit Schuldgefühlen wegen der Erderwärmung zu traktieren? Antwerpen ließ in einer kalten Winternacht ein Flugzeug starten. Es wurden von allen Dächern Fotos aufgenommen. Die Bewohner können nun selbst über eine Website nachsehen, ob sie viel Wärme über ihr Dach verlieren. Die Botschaft: Durch Wärmedämmung kann viel Geld eingespart werden. Wer möchte, dass die Leute weniger mit dem Auto fahren, muss mit einer guten Alternative aufwarten können. Daher wurde in den Ausbau der Fahrradwege investiert. Die Stadtverwaltung engagierte sich, um weitere 100 Kilometer Radwege anzulegen. 2011 wurden die öffentlichen Fahrräder Velo lanciert. In der Innenstadt gibt es 85 Fahrradstationen, und es stehen 1000 Fahrräder zur Verfügung. (Sacha van Wiele)

Barcelona, "El Periodico"

Die Initiative zur Schaffung urbaner Gärten wurde 1997 von der Abteilung für Parks und Gärten des Stadtrats von Barcelona ergriffen. Ziel war es, die Bürger zu ermutigen, sich an Umweltschutzprojekten zu beteiligen. Die an diesen Projekten engagierten Menschen knüpfen neue soziale Beziehungen, verbessern ihre Lebensqualität und helfen gleichzeitig bei der Schaffung neuer Grünflächen in der Stadt. Zudem werden diese Gärten genutzt, Schulkindern ökologische Landbaumethoden näherzubringen. Die Kinder können aus erster Hand etwas über die Arbeit in der Landwirtschaft erfahren. Die Gärten werden über eine Verlosung für fünf Jahre zugeteilt.

Die urbanen Gärten sind nicht das einzige ökologische Vorzeigeprojekt. So ist Barcelona die erste Stadt mit einer Verordnung, die die Nutzung von Solarenergie für die Bereitstellung von 60 Prozent des Warmwassers in allen Neubauten sowie renovierten Gebäuden zur Pflicht erhebt. (Helena Lopez)

Riga, Zeitschrift "Ir"

Zum ersten Mal besuchte ich das Rigaer Fahrradcafé und die Werkstatt Miit gegen 4 Uhr früh in einer warmen Augustnacht. Mein Begleiter erzählt mir, dass hier in einer kleineren Seitengasse ein Jahr zuvor so etwas wie ein Hauptquartier der Radfahrer entstanden sei. An Werktagen kann man dort, während einem der Reifen geflickt wird, in einem renovierten Holzhaus Kaffee oder Tee trinken oder sogar zu Mittag essen. An den Wochenenden ist dagegen Party die ganze Nacht angesagt. Das Miit gehört drei jungen Männern und ist eines der Epizentren des derzeitigen Fahrradbooms in Riga.

Die Stadt unterscheidet sich von vielen europäischen Städten, in denen die Ausweitung des Fahrradverkehrs das Ergebnis von Bemühungen der Gemeinde ist und in denen mit dem Segen des Bürgermeisters Flächen für Räder bereitgestellt werden und wo es sogar die Möglichkeit gibt, kostenlos Räder auszuleihen. Sicher, auch auf den Straßen von Riga sieht man seit 2010 salatgrüne öffentliche Mietfahrräder.

Die Kultur des Fahrradfahrens im Alltag war in Lettland zu Sowjetzeiten nicht entwickelt. In den Köpfen der älteren Generation hält sich bis heute das Vorurteil, dass nicht der Rad-, sondern der Autofahrer der König der Straße ist. Orte wie das Miit haben ein Umdenken bewirkt: Es ist schick, mit dem Rad unterwegs zu sein, nicht mit dem BMW.

Es werden noch mehr Radwege benötigt. Wegen der aggressiven Autofahrkultur ist es bislang für die Radfahrer sicherer, sich auf dem Gehsteig zwischen den Fußgängern hindurchzuschlängeln. (Ieva Puíîte)

Paris, "Vingt Minutes"

Eine Pumpe verdichtet die Wärmeeinheiten aus Abwässern und beheizt so ein Schulzentrum im 12. Arrondissement von Paris. Die Technologie könnte bald auch das Bürgermeisteramt im 3. Arrondissement sowie Sporthallen und ein Schwimmbad mit Wärme versorgen. Diese erste gute Erfahrung in Paris ebnet weiteren Anlagen den Weg. Das System könnte in zehn Prozent der Pariser Gebäude zum Einsatz kommen. Voraussetzung ist, dass sich der Abwasserkanal in der Nähe des Gebäudes befindet und dass er groß genug ist, um die durchfließende Wassermenge konstant zu halten. Durch die Nutzung der Abwässer kann das Pariser Schulzentrum seine Treibhausgasemissionen halbieren. Gas braucht nur noch als zusätzliche Energiequelle eingesetzt werden. Die Abwässer decken 70 Prozent des Heizbedarfs der Schule. Die Investition von 400 000Euro wird sich voraussichtlich in rund zehn Jahren amortisiert haben. (Audrey Chavet)

Wien, "Standard"

Auf der Mariahilfer Straße unterwegs zu sein ist für alle Verkehrsteilnehmer mühsam. Die Autofahrer kommen auf der größten Shoppingmeile Wiens nur im Schneckentempo voran, Radfahrer müssen sich auf einem schmalen Radweg zwischen fahrenden und geparkten Autos über die "Mahü", wie sie die Wiener nennen, schlängeln. Dazwischen huschen noch die Fußgänger über die Straße.

Für die grüne Verkehrsstadträtin hat Verkehrsberuhigung Priorität. Ihr Ziel: "Die Mariahilfer Straße soll eine Flaniermeile werden."

Dass die Straße an zwei Bezirke - das rot regierte Mariahilf (6. Bezirk) und das grüne Neubau (7. Bezirk) - grenzt, macht eine Verkehrslösung nicht einfacher.

Während die Bezirksvorsteherin von Mariahilf stets eine Fußgängerzone präferiert hat, möchte ihr grüner Amtskollege in Neubau lieber ein Shared-Space-Modell. Verkehrsexperten der Technischen Universität haben nun im Auftrag der Stadt drei Vorschläge erarbeitet.

"Am Ende", sagt die erste Grüne in der Wiener Stadtregierung, "wird der Verkehr aber nicht allein auf der Mariahilfer Straße eingedämmt sein, sondern es wird Gesamtkonzept für die angrenzenden Bezirke geben". Im Laufe des kommenden Jahres soll auf der "Mahü" dann endlich die neue Langsamkeit eingekehrt sein. (Bettina Fernsebner)