Auf dem Papier sind Frauen und Männer gleichberechtigt. Aber zur Durchsetzung dieses Grundrechts bedarf es gesetzlicher Vorgaben

In den Aufsichtsräten der großen Unternehmen sind Frauen mit etwa zehn Prozent, in den Vorständen mit etwa drei Prozent vertreten. Auf den Führungsebenen darunter bildet sich der Frauenanteil in Unternehmen ebenfalls nicht ab. Der Deutsche Juristinnenbund (djb) hat 2010 und 2011 im Rahmen eines staatlich geförderten Projekts die Hauptversammlungen von mehr als 70 der großen börsennotierten Firmen, darunter die 30 DAX-Unternehmen, besucht. Die Aktionärinnen bzw. Aktionärsvertreterinnen befragten Vorstand und Aufsichtsrat zu Zielvorstellungen und Strategien zur Erhöhung des Frauenanteils in Management, Vorstand und Aufsichtsrat. Auf die Frage, warum der Lagebericht des Unternehmens kaum Angaben zu den frauenrelevanten Daten enthalte, verstieg sich ein Vorstandsvorsitzender zu der Bemerkung, jede weitere Seite schade dem Wald.

Seit mehr als 60 Jahren sind Frauen in Deutschland gleichberechtigt. Dabei war Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes kein Geschenk der Politik an die Frauen in Anerkennung der Tatsache, dass diese in den Kriegsjahren und danach mehr als nur "ihren Mann gestanden" hatten. Im Gegenteil: Die Frauen sollten ins Glied zurücktreten. Unter den 65 Mitgliedern des Parlamentarischen Rats waren nur vier Frauen. Eine, Elisabeth Selbert, hervorragend vernetzt und willensstark, setzte die Aufnahme ins Grundgesetz gegen heftige Widerstände durch.

Die Anpassung der Gesetze an die Verfassung war trotz deren klarer Formulierung kein Selbstläufer. Dazu gesetzte Fristen ließ die Politik ungerührt verstreichen. Noch Jahre später durften Ehefrauen nur mit Einwilligung des Mannes außer Haus arbeiten, war das Recht des Ehemannes zur "maßvollen Züchtigung" der Frau ebenso anerkannt wie sein letztes Wort in allen ehelichen Angelegenheiten und insbesondere der "Stichentscheid" in allen die Kinder betreffenden Fragen. Erst mutige Klägerinnen und das Bundesverfassungsgericht haben die Politik immer wieder zum Handeln gezwungen, etwa zur Verabschiedung verfassungsgemäßer Gesetze. Von selbst und freiwillig tat sich nichts zugunsten der Frauen.

Bis heute sind die Erwerbsanteile von Frauen wie deren Einkommen vergleichsweise niedrig, Haus- und Familienarbeit lastet überwiegend auf Frauen, sie sind selten in Führungspositionen von Politik und Wirtschaft, und das gilt (bis auf die Erwerbstätigkeit) in West und Ost. Zäher Lobbyarbeit von Frauenverbänden ist es zu verdanken, dass Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes 1994 um den klaren Auftrag an die Politik zur aktiven Frauenförderung ergänzt wurde. Geändert hat sich wenig.

Zwar gaben sich Bund und sukzessive die Länder Gleichstellungsgesetze für eine höhere Repräsentanz von Frauen im öffentlichen Dienst. Der Entwurf eines Gleichstellungsgesetzes für die Privatwirtschaft endete aber in der Schublade. In Kenntnis der ernüchternden Bilanz fügte sich die Politik dem Druck der Wirtschaft und ließ sich 2001 auf eine rein freiwillige Selbstverpflichtung statt verbindlicher Quoten zur Erhöhung der Frauenanteile in Führungspositionen ein.

Die Unternehmen haben diese letzte Chance nicht genutzt. Weitere Selbstverpflichtungen werden daran nichts ändern. Nur mit verbindlichen Vorgaben und Sanktionen werden Frauen die Führungsebenen der Wirtschaft nicht erst in weiteren 50 Jahren offenstehen.

Auch kürzlich beim "Quotengipfel" haben die Unternehmen keine Ziele für Aufsichtsrat und Vorstand genannt. Die vertragliche Selbstverpflichtung wird weiter negiert, auch die Vorgaben aus dem Corporate Governance Kodex. Gleichwohl erklären fast alle Unternehmen gemäß ihrer aktienrechtlichen Verpflichtung, diesen Vorgaben zu entsprechen. Schade um den Wald. Papier ist geduldig, die Frauen nicht mehr.