Teil 4: Dialyse-Schwester Antje Prütz schob während der Ausnahmesituation Nachtschichten im UKE. “Wir alle wollten helfen.“

Eppendorf. Vielleicht übertreibt er ein bisschen. Dachte Antje Prütz, als der Stationsarzt am 18. Mai eine junge Frau mit hämolytisch-urämischem Syndrom, kurz HUS, auf die Station brachte und flüsterte: "Die Fälle häufen sich. Das wird eine Epidemie."

Es wurde eine - und Hamburg war zwischen Mai und Juli das Epizentrum dieser EHEC-Epidemie. Die Zahl der Patienten, die an HUS erkrankten - jener schweren Komplikation, die zu Nierenversagen, Störungen im Gehirn und sogar zum Tod führen kann - stieg täglich. "Spätestens als die ersten kranken Kinder eingeliefert wurden, wussten wir alle: Das wird schlimm", sagt Antje Prütz, die seit 14 Jahren als Fachkrankenschwester das Blutreinigungsverfahren durchführt und vor zwei Jahren von Berlin ans Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) wechselte.

Ein Krankenzimmer nach dem anderen sei im Frühsommer isoliert worden, erzählt die 36-Jährige. Immer mehr Patienten wurden eingeliefert - die 14 Dialyseplätze reichten schnell nicht mehr aus. "Auf dem Höhepunkt der Epidemie hat allein unser Team 42 Patienten behandelt", sagt die stellvertretende Stationsleiterin. Jede der 21 Pflegekräfte hätte vor allem zwei Gedanken gehabt: Wann hört das auf? Und was ist die Ursache dieser Seuche?

"Wir haben in diesen acht Wochen so viel Leid gesehen und so viel Stress erlebt wie nie zuvor", sagt die Bramfelderin. Anfangs hätten sie noch versucht, den Dienstplan einzuhalten. Vergeblich. "Fast alle von uns sind morgens schon um 4 Uhr zum Dienst gekommen und bis nachts um 2 Uhr geblieben", sagt Antje Prütz. Es sei eine absolute "Ausnahmesituation" gewesen - auch weil Dialysepfleger eigentlich keine Nachtschichten schieben. Aber ein "eigentlich" habe es nicht gegeben. "Wir wollten alle helfen." Jeder ihrer Kollegen habe den Titel "Held des Nordens" verdient. "Wir sind zusammengewachsen, die Unterstützung war riesig." Auch im privaten Umfeld, sagt die alleinerziehende Mutter, die mit ihrer elfjährigen Tochter Stine in Bramfeld lebt. Stine habe in dieser Zeit oft bei Freunden übernachtet. "Ich habe es nicht mal geschafft einzukaufen", sagt Prütz - und lacht. "Im Nachhinein ein Segen. So kamen wir gar nicht erst in die Versuchung, Tomaten oder Gurken zu essen."

Keiner der HUS-Patienten brauche heute noch eine Dialyse. "Wenn Menschen gesund entlassen werden - das sind die schönsten Momente", sagt Antje Prütz - und übertreibt kein bisschen.