Nach langer, langer Zeit bin ich mal wieder mit der Eisenbahn gefahren. Also mit dem Zug, unserer Deutschen Bahn. Ich hatte mich auf dieses Wagnis eingelassen, weil es vollkommen unwichtig war, wann ich loskommen würde, und vor allen Dingen, wann ich eintreffen könnte.

Natürlich hatte ich aufgrund der fehlenden Routine vergessen, eine Sitzplatzreservierung vorzunehmen. Was mich dann erwartete, war die Hölle auf Schienen. Es trug sich wie folgt zu: Ich steige in den Zug ein, und die Waggons sind brechend voll. In einem Großraumwagen finde ich dann doch noch ein freies Plätzchen.

Aber dann die absolute Härte: Sämtliche Mitreisenden fangen wie auf Kommando an zu essen! Warum um Himmels willen muss auf einer Fahrt mit dem Zug nur permanent gegessen werden? Wenn ich mit dem Auto einmal quer durch Hamburg fahren muss, nehme ich doch auch nicht meinen Kühlschrank mit.

Haben die Reisenden etwa Angst, es könnte die letzte Fahrt sein? Kaum haben sie das Abteil betreten, wird schon ausgewickelt, gepult und geschmiert - Stullen so dick wie nach der Währungsreform. Hier Koteletts, dort Frikadellen, und dann die Sauerei mit dem Senf: überall gelbe Flecken in den Sitzpolstern. Unmengen von Nahrungsmitteln!

Plötzlich wird ein ganzer Kasslerstrang dampfend an mir vorbeigetragen. Was ist denn da los? Hab ich etwas verpasst? Findet im Nebenwagen eine Silberne Hochzeit statt? Oder eine Weihnachtsfeier? Neben mir baut auf einmal ein Mitreisender mit Migrationshintergrund einen "Reisedöner" auf. Also ich glaube echt, jetzt hackt's! Überall liegen Krümel herum. So ein ICE sieht am Abend aus wie ein Schweinestall! Da lohnt es sich wirklich nicht, einmal zum Pinkeln auf die Toilette zu gehen. Das kennen wir schon von unseren Bundeswehrrekruten. Die sind ja dermaßen tapfer und pinkeln gleich in die Polster!

Getrieben von diesem unangenehmen Geruchsmix, mache ich mich auf die Suche nach einem zumutbaren Platz. Nach einem halbstündigen Marsch gegen die Fahrtrichtung finde ich einen Sitz in einem Sechser-Abteil. Doch dann die nächste Überraschung: Vier der fünf anderen im "Kleinraumabteil" fangen an, ihre hart gekochten Eier auszupulen! Das bei geschlossenem Fenster und die Heizung auf volle Pulle gestellt. Das stinkt ja zum Himmel! Einem fällt auch noch die Kappe vom Salzstreuer ab, und das Salz verteilt sich überall auf dem Zugteppich. Ich komme mir vor, als hockte ich in einer Eierpappe mit längst abgelaufenem Haltbarkeitsdatum.

Panikartig nehme ich Reißaus. Der Zugbegleiter muss das Gefühl haben, ich flüchtete vor ihm, Mangels Fahrkarte. Völlig aus der Puste erreiche ich das "Mitropa-Bordrestaurant". Erschöpft lasse ich mich in dem leeren Wagen nieder. Beim Studieren der Speisekarte stoße ich dann auf das Angebot des Tages: Seniorenteller! Das ist noch nichts für mich. Ich weiß ja nicht, ob Sie wissen, warum der Seniorenteller Seniorenteller heißt. Ich werde es Ihnen verraten: weil unter das Kartoffelpüree gleich das Haftpulver gerührt ist. Wie praktisch.

Und sonst so? Ach ja, sollten Sie vorhaben, noch vor Weihnachten ein Paket zu versenden, machen sie sich besser sofort auf die Suche nach einer Postfiliale. Wenn Sie eine gefunden haben, stellen Sie sich am besten auch gleich an, damit Sie vor den Feiertagen auch noch drankommen! Und decken Sie sich rechtzeitig ausreichend mit Briefmarken ein! Es wäre nämlich nicht das erste Mal, dass diese schon Mitte Dezember ausverkauft sind.

Na bitte, geht doch.

Nils Loenicker ist Kabarettist und Mitinhaber von Alma Hoppes Lustspielhaus. Sein satirischer Wochenausblick erscheint jeden Montag.