Gut ausgebildete junge Spieler und die Bundesliga als beste Fußballklasse der Welt sprechen für das Team von Bundestrainer Löw

Die Auslosung großer Fußballturniere ist für mich immer eine erste Einstimmung auf das Ereignis ein halbes Jahr später. Und auf die Europameisterschaft nächsten Sommer in Polen und der Ukraine dürfen wir uns wirklich freuen. Es wird ein Turnier mit den stärksten Mannschaften der Welt, denn die kommen derzeit aus Europa. Die Qualität wird besser sein als bei der WM 2010 in Südafrika, als 32 Teams aus aller Welt teilnahmen. Bei der EM sind es - leider zum letzten Mal - 16 (2016 in Frankreich werden es 24). Das verspricht spannende Begegnungen mit knappen Spielausgängen von der Vorrunde bis zum Finale. Der Gruppenauslosung konnten wir diesmal mit gewisser Entspannung entgegensehen - prompt verließ uns das Glück. Mit Vizeweltmeister Niederlande, Dänemark und Portugal sind es drei Gegner geworden, die wohl zu den stärksten der EM gehören. Die Fähigkeiten der deutschen Nationalmannschaft schätze ich aber momentan derart hoch ein, dass ich ihr zutraue, sich selbst in dieser Konstellation souverän durchzusetzen. Deutschland ist für mich 2012 der Turnierfavorit, noch vor Welt- und Europameister Spanien.

Deren Nationaltrainer Vicente del Bosque baut weiter auf die bewährten Kräfte, die 2008 im EM-Finale gegen Deutschland (1:0) und 2010 im WM-Endspiel gegen die Niederlande (1:0 n. V.) die Titel holten. Diesmal sind die älter gewordenen Spanier die Gejagten, sie können aus psychologischer Sicht nichts mehr gewinnen, eigentlich nur noch verlieren. Das dürfe am Ende vielleicht ein paar Prozente Motivation kosten, möglicherweise entscheidende im Vergleich zum jungen, hungrigen deutschen Team, das gegenüber dem dritten Platz 2010 in Südafrika weiter gereift ist.

Erfreulich ist für mich die außerordentlich große Anzahl Klassespieler im Kader von Bundestrainer Joachim Löw. Sie garantiert, dass uns Ausfälle weit weniger schwer treffen dürften als die Konkurrenz, wenn auch das Fehlen eines Schweinsteigers, Özils oder Neuers auf Dauer nicht beliebig zu kompensieren sein wird. Bedenken, dass unsere Innenverteidigung nicht höchsten Ansprüchen genügt, teile ich nicht. Der Bayern-Block Badstuber/Boateng, dahinter Neuer als weltbester Torhüter, wird für Stabilität sorgen, die drei werden in der laufenden Saison, vor allem in der Champions League, genug Erfahrungen sammeln, die ihnen bei der EM zugutekommen werden. Wer bei den Bayern in jungen Jahren auf diesen verantwortungsvollen Positionen spielt, muss international keinen Stürmer fürchten.

Dass die Deutschen - trotz der schwersten Vorrundengruppe - mit breiter Brust zur EM fahren können, ist zwei Entwicklungslinien zu verdanken. Seit zehn Jahren, nach den peinlichen Auftritten bei der EM-Endrunde 2000, wird bei uns der Nachwuchs systematisch ausgebildet, vor allem von den Bundesligavereinen. Talente gab es in Deutschland, einem Fußball-Land, schon immer genug, nur wurden sie oft unzureichend gesichtet und gefördert.

Spätestens seit Matthias Sammer Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes ist, schaffen wir es, dass uns auf dem langen Weg von der Jugend bis in die Bundesliga kaum noch Begabungen verloren gehen. Ein zweiter Faktor bleibt die Bundesliga selbst. Ich sage das bereits seit Jahren, auch wenn ich früher dafür oft belächelt wurde: Die Bundesliga ist die stärkste Fußballklasse der Welt; nicht immer in der Spitze, immer jedoch in der Breite. Mainz 05 kann bei uns den FC Bayern München schlagen, jedes Spiel verlangt von allen Spielern höchsten Einsatz. Das schult, das fördert die Wettkampfhärte, die gerade bei Turnieren in den entscheidenden Phasen stets ein Plus deutscher Mannschaften gewesen ist. In den Ligen unserer Nachbarländer ist das Leistungsgefälle unter den Klubs dagegen zum Teil eklatant.

Nun wird eine EM nicht durch die Meinung eines Kolumnisten entschieden, deshalb nur so viel zur Ergänzung: Die Italiener habe ich auch auf der Rechnung, die Mannschaft wurde nach ihrem WM-Sieg 2006 inzwischen ähnlich erfolgreich verjüngt wie die deutsche. Die Niederländer sind trotz der 0:3-Niederlage gegen Deutschland in Hamburg nicht zu unterschätzen, ihre Qualitäten in der Offensive sind weiter überragend, ihre Defensive um den ehemaligen HSV-Profi Mathijsen scheint mir aber nicht mehr titelreif. Und da wäre - wie immer - auch noch Portugal mit seinem Superstar Cristiano Ronaldo, und, und, und. Es wird eine hochinteressante EM.