Die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf zwei Grad ist nur noch Illusion. Die Klimaschützer müssen in Durban neue Ziele formulieren

Beim Uno-Klimagipfel (noch bis zum 7. Dezember in Südafrika) wird deutlich, was sich vor zwei Jahren in Kopenhagen und vor einem Jahr in Cancún abzeichnete: Der Prozess hin zu einer globalen Nachfolgeregelung für das Kyoto-Protokoll ist am Ende. Es wird auf lange Zeit kein weltweit akzeptiertes und verbindliches ("Cap and trade"-)System als effektiven Hebel zur Verringerung von Klimagasen geben. Auch deshalb ist das von allen Fachleuten als notwendig propagierte Ziel von maximal zwei Grad Temperaturanstieg (gegenüber dem Beginn der Industrialisierung) zur Illusion geworden. Der Hamburger Unternehmer Michael Otto, Gründer der lobenswerten "Zwei-Grad-Initiative" deutscher Unternehmer, wird für seinen Verein einen anderen Namen suchen müssen.

Auch wenn die Begrenzung auf zwei Grad plus zu schaffen gewesen wäre: Es ist nicht mal sicher, ob das die teuersten Folgen der Klimaveränderung, wie sie der britische Ökonom Stern in dem nach ihm benannten Report kalkuliert hat, tatsächlich verhindert hätte. Gleichwohl wäre allein die Verpflichtung, mit entsprechenden Zielen darauf hinzuarbeiten, sicher richtig gewesen; die Richtung hätte gestimmt.

Selbst wenn die Europäer in einem Anfall kollektiver Unvernunft und unter Außerachtlassung jeder wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit meinen sollten, mit entsprechend höheren Zielen von Europa aus allein das Klima retten zu sollen - es wäre angesichts der bestehenden und wachsenden Schadstoff-Emissionen der Super-Tigerstaaten wie Brasilien, Russland, Indien, China ohnehin zum Scheitern verurteilt. Die Aufforderung der hessischen Umweltministerin, die Bundesregierung müsse in Durban weiter auf ein verbindliches Klimaabkommen pochen und die EU solle ihre eigenen Klimaziele bis 2020 aufstocken, wirken wie der Bau eines Damms aus Streichhölzern gegen eine Nordsee-Sturmflut.

Deshalb muss die Strategie gewechselt werden, muss das bisherige Paradigma "Vermeidung" durch "Anpassung" ersetzt werden. Neu ist das nicht; der vielfach missverstandene und gescholtene Däne Bjorn Lomborg fordert das seit über einem Jahrzehnt mit Verweis auf die Notwendigkeit, die vorhandenen Ressourcen effektiver auf andere globale Herausforderungen auszurichten. Und einer der führenden deutschen Experten, Prof. Hans von Storch vom renommierten GKSS-Institut in Geesthacht, argumentiert ebenfalls zugunsten eines ausgewogeneren Verhältnisses zwischen CO2-Vermeidung und Anpassung an die Folgen.

Die problematischste Folge der - zur Einhaltung von zwei Grad plus - nicht mehr rechtzeitig umsetzbaren Vermeidungs-Strategie wird möglicherweise im - unumkehrbaren - Abschmelzen der Polkappen liegen: Der Schutz von Küstenstädten vor einem um einen Meter steigenden Meeresspiegel (IPCC-Prognose bis Ende des Jahrhunderts) wird teuer. Man erinnert sich an die Bilder der bemerkenswerten Unter-Wasser-Tagung des Regierungskabinetts der Malediven im Vorfeld des Gipfels von Kopenhagen - vielleicht ist diese Inselgruppe mit ihrer Höhe von einem Meter erster Anwärter auf die Umsiedlung eines ganzen Staates.

Jedenfalls müssen solche Szenarien gedacht und kalkuliert werden. In gewisser Weise bietet die Strategie der Anpassung einen Vorteil: Sie bedarf keines weltweiten Übereinkommens, sie kann auf lokale Herausforderungen Antworten suchen, ohne die Voraussetzung einer globalen Vorgabe. Insofern ist sie einem effektiven Management eher zugänglich als ein weltweites Klimaabkommen. Ergo sollten die Teilnehmer-Staaten in Durban ihre Energien nicht auf die Schimäre eines Kyoto-Folgeabkommens konzentrieren, sondern darauf, wo den Folgen der unvermeidbaren Klimaänderung entgangen und wie konkret der jeweilige Anpassungsprozess gestaltet werden kann. Die Wissenschaft sagt uns, dass unsere Sonne, der große Fusionsreaktor und unverzichtbare Voraussetzung für unser Leben, in vier oder fünf Milliarden Jahren schlicht ausgebrannt sein wird. Unsere Nachfahren, wenn es sie noch gibt, werden eine Milchstraßen- oder Universum-Umsiedlung organisieren müssen. Ein extremes Maß an Anpassung. Aber sie haben immerhin noch viel Zeit zur Vorbereitung, im Gegensatz zu uns.