Das Unwetter vom 6. Juni hat im Stadtteil viel verändert: Mieter fürchten “feuchte Entmietung“. Einige ziehen weg - so auch Harry Oehlmann.

Hamburg. Harry Oehlmann hat lange gekämpft und schlussendlich doch kapituliert vor dem schweren Hochwasser, das sein Friseurgeschäft im Souterrain am Mühlenkamp 12 Anfang Juni überflutet hatte. Er ist vor ein paar Wochen an die Barmbeker Straße umgezogen - in einen schönen hellen Laden, der zudem ganz und gar ungefährdet ist, sollte das Wasser wieder einmal ungebremst vom Himmel kommen. Zu ihm geht man jetzt zwei Stufen nach oben. Hochwassersicher. Vorher waren es fünf Stufen nach unten.

"Den Laden am Mühlenkamp hatten meine Eltern 1957 eröffnet", erzählt der Friseur, er hat ihn 1995 übernommen. "Wir hatten jedes Jahr Wasser drin, aber so schlimm wie am 6. Juni 2011 war es noch nie." Dieser Tag hat sich in seine Erinnerung eingebrannt: "Um 17.20 Uhr kam das Wasser, in 20 Minuten war alles vollgelaufen. Es kam von oben, aus den Sielen und den Toiletten. 68 Zentimeter stand es hoch. Die Feuerwehr haben wir um 17.30 Uhr gerufen, erschienen ist sie gegen 23 Uhr."

+++ Mühlenkamp unter Wasser, Chaos in der Innenstadt +++

Der Vermieter habe damals eine Sanierung abgelehnt. "Wir haben dann auf eigene Kosten neuen PVC-Boden verlegt." Völlig unerwartet sei dann im August die Kündigung gekommen. "Der Vermieter wollte erneut sanieren und danach die doppelte Miete verlangen." Das wollte und konnte Oehlmann nicht akzeptieren. "Es war schwer, dort wegzugehen, ich bin Jahrgang 1958, ich bin im Laden aufgewachsen."

Jetzt stehen die Souterrainräume, die so lange mit dem Namen seiner Familie verbunden waren, leer. Auch ein paar der hochwassergeschädigten Geschäfte links und rechts sind noch nicht wieder eröffnet, etwa der mexikanische Imbiss Qrito oder die Zaza Bar. Das Lokal wird seit Juli grundlegend saniert, soll aber voraussichtlich noch in diesem Jahr wiedereröffnen.

Völlig unklar ist dagegen, wann die Bewohner der benachbarten Terrassenhäuser in ihre Erdgeschosswohnungen zurückkehren können. Zwei kleine Stichstraßen gehen vom Mühlenkamp ab, führen in zwei Höfe. Idyllisch sieht es auf den ersten Blick hier aus - die kleinen Vorgärten sind gepflegt. Die braune Brühe, zu der sich das Regenwasser mit der Kloake aus Sielen und Toiletten gemischt hatte, ist weggeputzt. Doch im Hof zwischen den Hausnummern 12 und 14 sind immer noch alle Parterrewohnungen unbewohnbar. Vor einer der Wohnungen liegen alte Holzbretter, in einer anderen ist der Putz bis auf einen Meter Höhe abgeklopft, die Mauersteine liegen frei, in manchen Räumen stehen Trockengeräte. Sichtbar gearbeitet wird nirgends.

"Handwerker habe ich seit zwei Monaten nicht mehr gesehen", sagt eine betroffene Mieterin, die seit Juni bei Freunden untergeschlüpft ist. "Anfangs sagte man uns, wir könnten im September zurück, dann im Oktober, dann im November und jetzt soll es nicht vor März oder April soweit sein." Sie muss ganz von vorn anfangen - ihre gesamte Wohnungseinrichtung wurde beim Hochwasser zerstört. "Ich halte das nervlich nicht mehr aus. Beim Kleinsten, was schief läuft, breche ich zusammen." Ein Ehepaar aus den benachbarten Terrassenhäusern sagt: "Man könnte den Verdacht bekommen, dass die Eigentümer die alten Mieter raushaben wollen, quasi als feuchte Entmietung."

Dass die Sanierung nebenan so langsam vor sich geht, können die Bewohner nur schwer nachvollziehen. "Es gibt Menschen nebenan, die seit 30 Jahren in ihren Wohnungen leben und eine entsprechend niedrige Miete haben", sagt eine Nachbarin. Mieter mit neueren Verträgen zahlten dagegen bis zu 700 Euro im Monat. "Mit Nebenkosten liegen die bei 1000 Euro für 50 bis 55 Quadratmeter."

Die beiden Hausverwaltungen, die für je eine der zwei Häuserzeilen zuständig sind, weisen diese Vorwürfe zurück: "Die bestehenden Verträge werden natürlich fortgeführt. Leider verzögert sich die Sanierung, weil die Trocknung der Wohnungen, die ja nicht unterkellert sind, sehr lange dauert. Das ist natürlich bedauerlich", sagt Eric Seele, Geschäftsführer von Gladigau Immobilien. Die Miete werde sich nicht erhöhen, "es ist ja eine Instandhaltung", so Seele, dessen Unternehmen ihm zufolge die Immobilie für die Eigentümerin, eine ältere Dame, verwaltet. Ein paar Mieter hätten ihre Mietverträge inzwischen aufgegeben.

Die Terrassenwohnungen mit der Hausnummer 12 werden von der Arnold Hertz & Co. KG verwaltet. "Wir haben uns mit einigen Mietern geeinigt, gütlich", sagt Gaby Harm von der Immobilienverwaltung. "Diese haben sich neue Unterkünfte gesucht." Es gebe keinen Stillstand auf der Baustelle. Die Trocknung der Wohnungen sei abgeschlossen, der beauftragte Architekt werde kurzfristig ein Konzept für die weitere Sanierung vorlegen. Sie wirkte überrascht von der Unruhe in der Nachbarschaft. "Wir haben die Mieter immer über den Sanierungsstand informiert."

Offenbar sind diese Informationen aber nicht überall angekommen. "Wenn man nicht selbst immer wieder anruft und nachfragt, erfährt man gar nichts", sagt einer der ausquartierten Mieter.