Liebe Leserinnen, liebe Leser, heute melde ich mich mit einem Geständnis bei Ihnen. Jawohl, ich möchte mich selbst anzeigen! Ich gestehe: Ich bin zum wiederholten Male bei Grün mit dem Fahrrad über die Kreuzung gefahren! Ich weiß, das ist völlig uncool und absolut unüblich, aber ich habe es dennoch getan! So, nun ist es raus. Puh, ich fühle mich jetzt sehr viel besser.

Am Wochenende meinte meine Freundin zu mir: "Ach, lass uns doch mal auf den Weihnachtsmarkt gehen." In Hamburg muss man allerdings sagen "auf irgendeinen", so groß und beliebig ist die Auswahl. In der Innenstadt sind wir dann unweigerlich auf einem gelandet. Schon nach sehr kurzer Zeit, in der wir fremdbestimmt durch die Gegend geschoben wurden, fragte ich mich: "Was wollen wir hier?", beziehungsweise "Was soll ICH hier?" Das Angebot an den Verkaufsständen lockte mich so gar nicht, weil es sich immer wieder glich. Es roch auch überall gleich. Sogar die Menschen um uns herum. Essen mochte ich auch nichts. Und das, obwohl es Unmengen gab! Es schien hier und dort auch ausschließlich darum zu gehen. Das Angebot war überwiegend fleischlastig. Für einen wie mich absolut nicht schön. Ich bin nämlich bei den anonymen Vegetariern.

Das heißt, ich habe meine Meinung zum Thema Fleisch um 360º gedreht und esse heimlich kein Fleisch mehr. Allerdings frage ich mich, was haben Fischbrötchen auf einem "Jahresabschlussmarkt mit feierlicher Beleuchtung" zu suchen? Das passt irgendwie nicht. Und warum soll ich ausgerechnet jetzt heiß gemachte Kastanien essen? Mache ich doch sonst auch nicht. Wenn man in die umherstolpernden Gesichter schaut, ist alles dabei: glühweingeschwängert, weihnachtsbeseelt und kaufberauscht. Einige sind aber auch glühweinberauscht, weihnachtsschwanger und kaufbeseelt. Andere wiederum glühweinbeseelt, weihnachtsberauscht und kaufschwanger. Hinzu kommt die permanente Berieselung mit sogenannten Weihnachtsklängen. Unerträglich!

Aber nicht nur das: Überall stehen rot gekleidete, weißbärtige Männer herum. Bei dieser Ansammlung pro Quadratmeter muss doch jedes Kind den Glauben an den Weihnachtsmann verlieren! Da wir schon lange nichts mehr von der Hamburger FDP gehört haben, kann man wohl davon ausgehen, dass sich das angebliche Führungspersonal darin verbirgt. Wahrscheinlich, um mehr Bürgernähe zu beweisen - dummerweise bleiben sie allerdings weitestgehend unerkannt.

Apropos Hamburger Politik: Die Grünen diskutieren noch, die CDU in Hamburg ist pleite, und unser Innensenator Michael Neumann bekräftigt seine Forderung nach einem NPD-Verbot. Schön und gut, aber wohin dann mit den vielen arbeitslosen V-Leuten? Ich hab's, sie könnten vorübergehend als Engel auf den Weihnachtsmärkten jobben!

Na bitte, geht doch.

Nils Loenicker ist Kabarettist und Mitinhaber von Alma Hoppes Lustspielhaus. Sein satirischer Wochenausblick erscheint jeden Montag