Nun leuchtet sie wieder, die Alstertanne. Pünktlich zum ersten Advent. Und passend dazu durchzieht ein vorweihnachtlicher Geruch die Einkaufsstraßen. Hamburgs Zeitansage funktioniert. Erst recht in den Kirchen: "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit." In allen Hamburger Gotteshäusern wird dieses Lied zum Adventsbeginn gesungen. Fast 400 Jahre ist es her, dass der Pastor Georg Weissel dieses Lied schrieb. Vor Augen war ihm dabei die Tür der neu erbauten Altroßgärter Kirche in Königsberg. Anlässlich der Weihe dieser Kirche hatte er das Lied geschrieben. Doch die eigentliche Geschichte, die zu diesem Lied gehört, ist eine andere. Kaum hatte das Lied seine kirchliche Uraufführung hinter sich, erklang es erneut - dieses Mal vor einem verschlossenen Gartentor.

Der reiche Königsberger Kaufmann Sturgis hatte einen Trampelpfad, der den Bewohnern des Alten- und Siechenhauses über sein Grundstück einen kurzen Weg zur Kirche ermöglichte, mit einem Tor verschließen lassen. Der Umweg war weit, für viele zu weit und zu anstrengend. Sie klagten diese Not ihrem Pastor. Nach einiger Überlegung hatte dieser eine Idee. Gemeinsam mit den Bewohnern des Armenhauses zog er vor das Tor, und sie begannen zu singen: "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit ..." Sie sangen so lange, bis der verdutzte Sturgis aus dem Haus kam. Dann sprach Weissel ihn an: Wie kann man auf das Kommen des Gotteskindes an Weihnachten hoffen und gleichzeitig sein Gartentor wie auch sein Herzenstor verschließen? Sturgis öffnete die Tür. Und von diesem Tag an wurde dieses Tor nicht wieder geschlossen. Viele Generationen von Königsbergern kannten diesen Weg fortan unter dem Namen "Adventsweg".

Eine schöne Geschichte mit einem guten Ende. Eine Geschichte zum Weitererzählen an all jenen Türen, die - real oder im übertragenen Sinne - immer noch versperrt sind und Menschen ausschließen. Advent meint mehr als ein paar besinnliche Vorweihnachtstage: "Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meines Herzens Tür dir offen ist", so beginnt die letzte Strophe dieses Liedes.

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