Spanien macht Sonntag den Anfang. Die gemeinsame Finanzpolitik und ihre harten Beschlüsse verlangen nach einem Votum der Bürger

Braucht Europa mehr zentrale Gewalt über die EU-Mitgliedsländer oder muss die politische Macht in den Ländern bleiben? In der Euro-Krise hat sich diese Frage von selbst beantwortet. Europa braucht zwar funktionierende zentrale Institutionen, etwa um den Euro-Rettungsschirm zu organisieren oder die Finanzpolitik von hoch verschuldeten, subventionierten Staaten zu überwachen. Aber die gemeinsame Politik braucht in jedem Land demokratische Legitimation - den politischen Willen der Regierungen, die Zustimmung der Parlamente und die Ermächtigung durch die Wähler.

Die Euro-Krise fordert Entscheidungen extremer Tragweite. Die hoch verschuldeten Länder müssen schmerzhafte Sparprogramme umsetzen. Helferländer wie Deutschland riskieren Milliarden an Steuergeldern.

Das schwächelnde Spanien macht am Sonntag mit vorgezogenen Wahlen den Beginn. Griechenland hat für Anfang nächsten Jahres Neuwahlen angesetzt. Dann müssen die Griechen endlich klarmachen, ob sie sich für den Euro quälen oder aus der Währung aussteigen wollen. Auch für Italien wäre es gut, wenn die Aufräumarbeiten in Berlusconis politischen Trümmern von einem Wählervotum befördert würden.

Viele EU-Länder sind in bedrohlicher Lage, weil Politiker in die Staatskasse gegriffen haben, um mit Wohltaten fürs Volk Wählerstimmen zu kaufen. Die Wähler Europas müssen nun eine Kehrtwende durchsetzen, nur so können sie den Euro langfristig retten. Künftig muss Sparen politisch sexy sein und Stimmen bringen, und nicht mehr Schulden machen.

Dass diese Trendumkehr beginnt, zeigt Frankreich, wo im Frühjahr Präsidenten-Wahlen anstehen. Amtsinhaber Sarkozy preist Deutschland als Vorbild. Sein Gegenkandidat Hollande ist der Inbegriff des seriösen Realpolitikers, der nichts verspricht, was er nicht halten kann.

Falls sich die Wähler in einem der EU-Länder gegen die Mühen und damit gegen den Euro entscheiden, muss Europa das akzeptieren. Zu befürchten ist es aber wohl nicht. Denn die Krise hat bei vielen zwar Enttäuschung, Abneigung oder Wut ausgelöst - auf der anderen Seite vermutlich aber auch zu der Erkenntnis geführt, dass es ohne Europa nicht geht. So sind in der Slowakei, wo ebenfalls Neuwahlen anstehen, die oppositionellen Sozialdemokraten Favorit, obwohl (oder weil) sie die Teilnahme des Landes am Euro-Rettungsschirm durchgesetzt haben.

In Europas Finanzmisere steht Deutschland vergleichsweise gut da. Aber auch bei uns haben Politiker aller Parteien jahrzehntelang Schulden gemacht nach der Maxime, an die sich der heutige Kieler Ministerpräsident Carstensen (CDU) jüngst in der "Welt am Sonntag" aus seiner Zeit im Bundestag erinnerte: "Was nutzt es, wenn wir den Haushalt in Ordnung gebracht haben und verlieren dann die nächste Wahl?"

Dass Deutschland rechtzeitig wirtschaftlich und finanziell die Kurve gekriegt hat, ist politischem Umdenken, nicht zuletzt dem verantwortungsvollen Handeln von Gewerkschaften und Arbeitgebern zu verdanken. Die müssen darauf achten, dass die Politiker nicht zu sorglos werden. Die einen wollen Steuern senken, die anderen erhöhen. Dicke Bretter bohren will offenbar kaum jemand. Dabei wäre jetzt die Zeit, endlich das Steuersystem nach sinnlosen Privilegien (Hotelsteuer) zu durchforsten und Milliarden einzusparen.

Deutschland darf nicht schlappmachen. Wenn die Euro-Rettung gelingt und die schwachen Länder stärker werden, sind das neue Konkurrenten. Wenn nicht, kommt eine Wirtschaftskrise. Auch Deutschlands Wähler stehen vor der Aufgabe, ihren Politikern neue Anstrengungen abzuverlangen.