Wir müssen bei den Finanzen und in der Umwelt umsteuern. Sonst schützen uns bald auch Billionen-Euro-Rettungspakete nicht mehr

Wir reden in diesen Tagen fast nur noch über Staatsverschuldung, über unkontrollierte Finanzmärkte und die Folgen unregulierter Spekulationen. Und wir erkennen dabei immer mehr, dass kurzfristiger Erfolg - sowohl auf den Finanzmärkten als auch in der Realwirtschaft - die Gefahr birgt, dass die Grundlagen des langfristigen Erfolgs beeinträchtigt oder gar zerstört werden.

Diese Erkenntnis lässt sich verallgemeinern: Wir leben heute alles in allem ein Schuldenleben. Das bedeutet, dass die heutigen Generationen auf Kosten der nächsten Generationen leben.

Das betrifft nicht nur unsere finanzielle Situation, sondern auch unsere Art, wie wir mit unseren natürlichen Ressourcen umgehen. Auch das Aufnehmen von Ökoschulden ist nichts anderes als ein Leben auf Kosten der nächsten Generationen. Und zur Bewältigung der Folgen einer dauerhaften Erhöhung der Erderwärmung über zwei Grad Celsius hinaus würden selbst Rettungspakete in Billionen-Euro-Höhe nicht mehr ausreichen. Die Lehre aus der Krise muss sein, Fortschritt so zu gestalten, dass künftige Generationen genügend Spielräume zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gestaltung haben.

Es geht um eine Art der Politik und des Wirtschaftens, die diese Gestaltungsspielräume zum Maßstab heutiger Entscheidungen macht. Ihr Ziel muss Wachstum sein, denn ohne Wachstum wird es keine Solidarität geben - weder national noch global.

Aber wir brauchen eine neue Art von Wachstum. Es geht um eine Transformation des Wirtschaftens von einer Ressourcen verbrauchenden Ökonomie zu einer ressourceneffizienten Wirtschaftsweise, die in ökologisches Kapital investiert, anstatt es unwiederbringlich zu verbrauchen.

Europa hat sich bereits auf diesen Weg begeben. Hier zeigt sich eine weithin unterschätzte Stärke der Europäischen Gemeinschaft: indem sie sich auf ehrgeizige Klimaschutzziele verpflichtet, konsequent ihre Energieversorgung aus erneuerbaren Energien ausbaut und auf mehr Energieeffizienz setzt sowie eine stringente Ressourcenpolitik entwickelt und umsetzt.

Die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft, einer "Green Economy", ist aber nicht nur ein Gebot der Nachhaltigkeit, sondern auch eine elementare Frage der Gerechtigkeit: Immer noch sind 1,4 Milliarden Menschen in den Entwicklungsländern an keinerlei Energieversorgung angeschlossen. Rund 900 Millionen Menschen haben keinen oder nur einen ungenügenden Zugang zu unbedenklichem Trinkwasser, und fast ebenso viele leiden unter Hunger.

Einen Ausweg aus dieser Situation wird es nur geben, wenn wir den Zugang zu Wasser, Energie und Ernährung dauerhaft sichern. Diese drei grundlegenden Elemente menschlichen Lebens und Wirtschaftens bilden das Zentrum einer humanen und gerechten (Welt-)Ordnung. Und darum ist es von großer Bedeutung, die Verbindung von Wasser-, Energie- und Ernährungssicherheit in den Mittelpunkt der Debatte zu rücken. Genau dies ist das Ziel der Bonn2011 Nexus Conference, die gestern eröffnet wurde.

Dieser "Nexus" ist in seinen komplexen Wechselwirkungen bisher nur unzureichend analysiert. Es kommt zu erheblichen Zielkonflikten, wenn etwa eine bessere Wasserversorgung immer mehr Energie erfordert, umgekehrt aber immer mehr Wasser für eine leistungsfähige Energieversorgung verbraucht wird. Wir brauchen also intelligente Lösungen, die solche Zielkonflikte erkennen und möglichst gering halten.

Von der Bonner Nexuskonferenz erwarte ich mir wichtige Impulse für die kommenden Konferenzen für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung in Durban und im nächsten Jahr in Rio de Janeiro. Wichtig ist, dass die hoch entwickelten Staaten auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft vorangehen und dabei andere Staaten auf ihrem eigenen Weg solidarisch unterstützen. Rio 1992 hat als "Erdgipfel" seinerzeit erstmals Maßstäbe für eine globale Politik zum Schutz von Klima und Umwelt gesetzt.

Rio 2012 muss die Maßstäbe für nachhaltiges Wachstum, für eine "Green Economy", setzen.