Rund 460.000 Hamburger arbeiten ehrenamtlich. Aktivoli hilft dabei, dass jeder die ganz individuell und für ihn richtige Tätigkeit findet.

Hamburg. Wenn Mustafa Aytürk um 9 Uhr kommt, warten sie schon auf ihn. Markus Lilienthal, Timo Bergmann, Berndt Junge und die anderen im Altonaer Tagewerk. Mittwoch ist Markttag. Auch die Behinderteneinrichtung der Alsterdorf Assistenz West bietet dort regelmäßig Marmelade, Kerzen und gefilzten Haarschmuck an. "Ich helfe, den Stand aufzubauen", sagt Aytürk. Danach macht er sich mit der Gartengruppe auf den Weg. "Im Herbst haben wir viele Aufträge, überall muss Laub geharkt werden."

Seit zwei Jahren arbeitet der 55-Jährige mit - ehrenamtlich. "Ich leihe den Menschen meine Sinne." Das macht ihm sichtbar Freude. "Ich werde gebraucht."

Bevor er ins Tagewerk kam, hat der Rentner lange nach einer ehrenamtlichen Betätigung gesucht und vieles ausprobiert. "Aber irgendwie passte alles nicht so richtig." Fast hätte er aufgegeben. Kein Einzelfall. "Ehrenamt funktioniert nur, wenn man das richtige Engagement findet", sagt Aktivoli-Sprecherin Sabine Brahms. Das Netzwerk, hinter dem 42 Institutionen und Tausende Ehrenamtliche stehen, versteht sich als Plattform für bürgerschaftliches Engagement in der Hansestadt - und ist einer der Partner in der Kampagne "Gib Deinen Zehnten".

Derzeit engagieren sich in Hamburg rund 460 000 Menschen in einem Ehrenamt. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren zwar leicht gestiegen, liegt aber nach der aktuellen Freiwilligenstatistik der Sozialbehörde mit 29 Prozent ähnlich wie in anderen Stadtstaaten deutlich unter dem Bundesschnitt. Anders als früher würden Freiwillige sich heute nicht mehr "vor einen Karren spannen lassen", erklärt Brahms von Aktivoli. Wer bereit sei, Zeit zu spenden, tue das eher projektbezogen und im Kontext mit seiner biografischen und beruflichen Situation.

Deshalb sind die sogenannten Freiwilligen-Agenturen ein wichtiger Bestandteil des Netzwerks. Sieben solcher Anlaufstellen in unterschiedlicher Trägerschaft gibt es in Hamburg. "Wir sind ein Art Türöffner", sagt Gabriele Glandorf-Strotmann, seit 14 Jahren Leiterin des Freiwilligen-Zentrums des Erzbistums Hamburg. Dabei gehe es nicht nur um Vermittlung, wie etwa bei der Arbeitsagentur. "Wir unterstützen die Menschen, die zu uns kommen, in ihrer eigenen Suche nach Engagement."

Viermal in der Woche ist das Büro direkt neben dem Mariendom in St. Georg geöffnet. Im Wandregal stecken viele Broschüren über Organisationen, die Ehrenamtliche suchen - als Vorleser in einer Schule, als Einkaufsbegleitung für Kranke oder auch im Hospizdienst. 400 Angebote hat allein das Freiwilligen-Zentrum in der Datei. Das Wichtigste aber ist die persönliche Beratung. Grundlage ist ein Fragebogen, in dem Vorerfahrungen, besondere Fähigkeiten und Wünsche der Interessierten abgefragt werden. "Alle wollen helfen, wissen aber oft nicht genau, wie sie das tun sollen", sagt Hannelore Huesmann, die seit zweieinhalb Jahren als Engagement-Beraterin arbeitet - ehrenamtlich natürlich. Wichtig sei, dass die Menschen nicht dahin gehen, wo gerade Hilfe gebraucht wird, sondern, wo es gut für sie ist. Beispiel: Wenn jemand gerne Kuchen backt, kann es trotzdem sein, dass ein Einsatz bei einem Kuchenbüfett für Obdachlose nicht das Richtige ist. "Das versuchen wir vorher abzuklopfen", sagt die Beraterin. "Wenn die Rahmenbedingungen nicht passen, bleiben die Menschen weg."

Denn nicht selten steckt hinter dem Wunsch, sich zu engagieren, mehr. "Es geht oft um Sinnsuche", sagt Gabriele Glandorf-Strotmann. "Die Wechselbeziehung zwischen Geben und Nehmen muss ausbalanciert sein." Freiwillige wollten Einfluss nehmen, in Entscheidungen einbezogen werden und ihre soziale Umwelt mitgestalten. "Sie suchen einen Ort, an dem sie sich einbringen können und der ihnen guttut", sagt die erfahrene Ehrenamts-Managerin. Wenn das geschafft ist, blieben die Freiwilligen im Schnitt bis zu sieben Jahren. Genau da setzt auch das Aktivoli-Netzwerk an, das seit zwölf Jahren immer im Januar eine Freiwilligenbörse mit mehr als 1000 Angeboten in der Handelskammer veranstaltet. "Wir wollen bessere Bedingungen für bürgerschaftliches Engagement schaffen. Und versuchen, in dem Bereich auch politischen Einfluss zu nehmen", sagt Sprecherin Brahms. Schwerpunkt der Arbeit ist zudem die Qualifizierung fürs Ehrenamt. Aus dem Netzwerk ist eine Fortbildungsdatenbank (Q-Aktivoli) und - ganz wichtig - eine Plattform für die Engagementsuche (e-Aktivoli) hervorgegangen.

Mustafa Aytürk hat seinen Platz gefunden. "Ich bin zweimal in der Woche im Tagewerk, bei Bedarf auch häufiger", sagt der türkischstämmige Altonaer, der mit seinen Eltern 1961 nach Deutschland gekommen war. Als er aus gesundheitlichen Gründen Rentner geworden sei, habe er plötzlich viel Zeit gehabt. Zu viel. "Ich hing durch. Nur Kaffee trinken, Fernsehen gucken und Däumchen drehen war mir zu wenig. Ich will etwas Sinnvolles tun, meinen Beitrag für die Gesellschaft leisten", sagt Mustafa Aytürk. Der Kontakt mit Markus Lilienthal, Timo Bergmann, Berndt Junge und den anderen im Tagewerk tut ihm gut. "Ich bekomme so viel zurück. Es sind die Blicke, Gesten, die alles sagen. Das Ehrenamt gibt meinem Leben Würze."