Am 63. Eisbeinessen der Schiffsmakler nahmen 5200 Gäste aus 50 Nationen teil. Die Stimmung in der Branche ist verhalten zuversichtlich.

Hamburg. Wenn die Blätter sich herbstlich verfärben, bricht in norddeutschen Schweineställen für gewöhnlich Unruhe aus; etwa vergleichbar mit dem Gefühl, das polnische Gänse stets überkommt, wenn Weihnachten naht. In diesem Jahr dürfte die Nervosität unter den Borstenviechern besonders groß gewesen sein, denn "mit 5200 gesetzten Essen haben wir eine neue Bestmarke erreicht", frohlockte Alexander Geisler, Geschäftsführer des Zentralverbands Deutscher Schiffsmakler e.V. in Hamburg, dem rund 450 Firmen angehören. "Wenn die Frachtraten gut waren, merkt man das auch gleich an der Teilnehmerzahl."

Dieses traditionelle Eisbeinessen, das am Freitag zum 63. Mal stattfand, gilt seit Jahrzehnten weltweit als eines der wichtigsten Treffen dieses Berufsstandes, an dessen Umsätzen sich der Zustand des Welthandels - und damit der Weltwirtschaft - wahrscheinlich ziemlich genau bemessen lässt.

Zwischen Bier und Kümmel aufgeschnappt: Die deutsche maritime Wirtschaft sei trotz aller Zuwächse noch weit vom Vorkrisenniveau entfernt. Es müsse abgewartet werden, welche Auswirkungen der Atomunfall in Japan, die politischen Umstürze in Nordafrika, die steigenden Ölpreise sowie die Vergrößerung der Flottenkapazitäten auf das Wachstum der Weltwirtschaft und damit auf die Schifffahrt haben. Um die Wettbewerbsfähigkeit des maritimen Standortes nachhaltig zu sichern, fordern die Branchenverbände neben einer konkurrenzfähigen Kostenstruktur den zeitnahen und bedarfsgerechten Ausbau der Hafeninfrastruktur, die Anpassung der Fahrrinnen auf Elbe und Weser sowie den Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals.

***Putensteak beim größten Eisbein-Essen der Welt***

Das große Fressen in der Multifunktionshalle H und zusätzlich auf dem Parkett des Saales 3 an den eingedeckten Zwölfer-Tischen begann um 19.15 Uhr mit zwei kurzen Grußworten in englischer Sprache. Christian C. Koppmann, Vorsitzender des Schiffsmakler-Verbandes hatte sogar einen japanischen Willkommensgruß gelernt - Forderungen stellte er nicht.

Auch Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz verzichtete auf politische Bekenntnisse oder gar ein Versprechen, sondern wies lediglich auf die große wirtschaftliche Bedeutung des Hamburger Hafens hin sowie auf die guten hamburgisch-japanischen Beziehungen und wünschte schließlich, ziemlich unenglisch, "bon appétit".

In diesem Jahr hatten sich Gäste aus über 50 Nationen für 75 Euro pro Kopf verbindlich zur Völlerei angemeldet, die meisten über die extra eingerichtete Internetseite www.eisbein.com . Das diesjährige Partnerland war Japan, wo Schweinefleisch allerdings eher selten serviert wird und ein Eisbein schon mal gar nicht, wobei dies vermutlich auch am traditionellen japanischen Essbesteck liegen dürfte. Traditionell war auch die kurze Performance des hannoverschen Taikoon-Ensembles, das die Gäste beim Einmarsch mit "Taiko-Beats" erfreute, japanischer Trommelmusik. "Ein schönes Getöse", wie Jan Buck, ein Eisbein-Essen-Veteran am Tisch 237, bemerkte und schon mal prophylaktisch die Kümmelflasche kreisen ließ, "Für die Grundlage, verstehen Sie?"

Die hochprozentigen "Verteiler" (insgesamt etwa 1000 Flaschen) waren im Preis inbegriffen, wie auch das Bier (rund 8000 Liter), Weine, Sekt und Softdrinks. Was dann die insgesamt 43 Köchinnen und Köche sowie die 194 Servicekräfte an diesem Abend (einmal mehr) leisten mussten, war bemerkenswert: Innerhalb einer knappen halben Stunde wurden die Essen serviert, rund 3000 Portionen Eisbein, dazu 1500 Portionen Kassler sowie Putenbraten für Figurbewusste oder Gäste, die aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch essen. Dazu wurden rund eine Tonne Salzkartoffeln, 750 Kilo Sauerkraut, die gleiche Menge Erbsenpüree sowie knapp 200 Kilo Speckstippe gereicht. Das Servicepersonal wurde in Teams eingeteilt, die jeweils ihre entsprechende "Zone" zu bedienen hatten. Jeder Teamleiter versuchte, seine Leute zu motivieren, die Besten zu sein: "30 Minuten wären klasse, aber 25 Minuten wären schöner", schwor Rodger Mangartz seine Truppe, die für die Tische 601 bis 640 zuständig waren, ein. Sein Team schaffte es in 28 Minuten.

Nach nicht einmal zwei Stunden begann an den Bars und an den Garderoben bereits das große Flirten: auch das, laut Insidern, eines der offenen Geheimnisse, warum das Eisbeinessen im Laufe der Jahre so beliebt werden konnte. Denn "geiles" (altdeutsch für fettes) Essen, Alkohol und Testosteron sind eine explosive Mischung und verwandelt so manchen drögen Schiffsagenten in einen Don Juan. Zwar erschienen im Vergleich zum Vorjahr wieder einmal mehr Frauen - das "kleine Schwarze" war schwer angesagt - doch der Männerüberschuss war auch in diesem in diesem Jahr eklatant.

Garderobiere Sepideh Nourbin, 27, die aus dem Iran stammt, weiß um die Folgen. Sie ist in diesem Jahr zum vierten Mal dabei. "Aber die meisten Herren haben wir gut im Griff: Ein kurzes Lächeln, ein netter Spruch - und dann muss man eben weiterarbeiten." Grenzüberschreitungen habe sie noch nie erlebt, auch wenn die Schiffsmakler in der CCH-Disco ab Mitternacht "auf den Tischen tanzen". Allein oder eben ... na ja. Und ansonsten gab es gleich unten, am Taxistand des CCH, einen freundlichen jungen Mann, der Visitenkarten des vermutlich teuersten Hamburger Saunaklubs verteilte. Im Whirlpool mit vollem Bauch und mehreren Frauen zu baden, ist nicht jedermanns Sache. Aber so ist das eben, wenn Schiffsmakler und -agenten die Sau rauslassen, einmal im Jahr, im Hamburger Herbst.