Auch der gute alte Hebel hat es nicht verdient, von gedankenlosen Politikern zur Geldvermehrung eingesetzt zu werden

Die EFSF wird gehebelt, von 440 Milliarden Euro auf über eine Billion, die Banken können sich rekapitalisieren, neben den Schirm wird ein "Sondertopf" gestellt, in den (zum Beispiel) die Chinesen etwas hineintun sollen, und die EZB (Europäische Zentralbank) soll ihre Bazooka (früher hieß so was Panzerfaust) scharf machen. So steht es fast jeden Tag in den Zeitungen, und so ähnlich sagen es Experten und Politiker auch im Fernsehen. Alles klar?

Im Ernst: Vielleicht sollten sich Experten und Staatenlenker öfter mal klarmachen, an wen sie sich da wenden - nämlich an eine übergroße Mehrheit von Lohn- und Gehaltsempfängern, denen zum Thema Finanzkrise vor allem der besorgte Blick einfällt, den sie gegen Ende des Monats auf ihren Kontostand werfen, weil sie bangen, ob noch genug drauf ist. Sie sind in der Regel keine Anleger (allenfalls Sparer) und schon gar keine Investoren. Wenn sie von der Hebelung der EFSF hören und von den Milliarden, die dadurch gewonnen sein sollen, dann erfasst sie Schwindel. Und dafür halten sie auch das, was man ihnen da erzählt.

Dass eine Bank (die Bad Bank der mit Steuergeldern angeblich geretteten Hypo Real Estate, HRE) sich, wie geschehen, um Milliardenbeträge "verrechnet" hat, von denen man anderthalb Jahre lang alle Hartz-IV-Empfänger hätte bezahlen können, ist unglaublich, aber es ist passiert.

Wenn die Wähler überhaupt wissen, dass EFSF für Europäische Finanzstabilisierungs-Fazilität steht, dann hätten sie gewiss auch gern eine solche Fazilität, sobald sie mal wieder klamm sind. Und wahrsc heinlich würden ja auch sie auf Pump leben wollen, wenn sie denn was gepumpt bekämen, bloß weil sie klamm sind.

Nein, das hat er nicht verdient, der gute alte Hebel, dass er nun auch noch als Begriff für eine - im Übrigen unbegreifliche - Geldvermehrung dienen muss.

Mithilfe dieses Hebels lassen sich Lasten bewegen, die man sonst nicht hätte stemmen können - also wie beim richtigen Hebel, der ja oft nur eine solide Stange aus Holz oder Eisen ist, mit der man einen großen Stein hochhebeln kann, wenn man die Stange über eine Drehachse (einen kleineren Stein zum Beispiel) bewegt.

In der Welt der Finanzen nennt man die so entstehende Hebelwirkung "leveraging"; "lever" heißt Hebel. Diese zu wundersamer Geldvermehrung führende Hebelwirkung würde man allzu gern auch beim eigenen Einkommen ansetzen - aber da funktioniert sie leider nicht.

Wenn Güter hergestellt und dafür Löhne bezahlt werden, spricht man von "Realwirtschaft". Die Finanzbranche, in der man durch Hebelung Milliarden erzeugen kann, ist dann also die Irrealwirtschaft? Das klingt einleuchtend. Aber den Unterschied zwischen beiden sollten die Politiker und ihre Experten den Leuten, von denen sie gewählt werden wollen, unbedingt mal erklären.

Wenn sie es nicht tun, werden sie das merken - an den Zahlen der Nichtwähler oder der Piraten-Partei (die keine herkömmliche Politik machen will). Denn wen sie nicht verstehen, den wählen "die Menschen" (von denen die Kanzlerin gern spricht) auch nicht. Und die öffentlichen Mitteilungen der Politiker und Experten sind überwiegend eine Mischung aus Leerformeln, Absichtserklärungen und Fachausdrücken, also keine Erklärungen.

Die EFSF, so lesen wir, ist der "Rettungsschirm". Aber gibt es den überhaupt? Wir kennen den Fallschirm und den Rettungsring. Der Rettungsschirm ist eine semantische Behauptung.