Neustadt. Champagner erfreut sich vieler Liebhaber. So wusste unter anderem der berühmte Korse Napoleon: "Nach dem Sieg verdienst du ihn. Nach der Niederlage brauchst du ihn." Und Schriftsteller Mark Twain hielt Champagner für die "wohl glückhafteste Inspirationsquelle". Inspirierend hat das perlende Edelgetränk auch auf Jan K. gewirkt - nur mit dem Glück hat es bei dem Mann nicht so richtig geklappt. Denn letztlich hat seine Idee, Champagner als Geldquelle zu nutzen, ihm statt der erhofften Fortune eine handfeste Niederlage beschert.

Einst war der 41-Jährige Herr über nahezu unerschöpfliche Vorräte von Champagner. Als Lagerleiter eines Vier-Sterne-Hotels in zentraler Lage, das sich unter anderem seiner Wein- und Spirituosenkarte rühmt, hatte er Zugang zu einem "riesigen Getränkevolumen", wie Jan K. es jetzt im Prozess vor dem Amtsgericht nennt. So üppig, dass es offenbar über Jahre nicht auffiel, dass der Hamburger immer wieder große Mengen abzweigte. 75 Fälle des Diebstahls listet die Anklage auf, allesamt edle Marken mit einem Gesamtwert von rund 15 000 Euro. Die hat der gelernte Restaurantfachmann laut Staatsanwaltschaft aus den Vorräten des Hotels entwendet und dann im Internet verkauft.

Der Mann auf der Anklagebank wirkt wie ein Häuflein Elend, den kahl rasierten Kopf gesenkt, die Hände gefaltet. Das Reden übernimmt zunächst sein Verteidiger. "Der Angeklagte, dem die Sache sehr unangenehm ist, räumt sämtliche Fälle ein", erklärt der Anwalt. Vor Jahren habe sich die Ehefrau des Angeklagten von Jan K. getrennt, das habe ihn extrem mitgenommen, fährt der Verteidiger fort. Die darauffolgende Scheidung habe ihm den Rest gegeben. Depressionen, Unterhaltspflichten - da habe der Lagerleiter mit dem Verkauf des Champagners "sein Einkommen ein bisschen nach oben frisiert".

Der Amtsrichter wundert sich: "Wie haben Sie das überhaupt gemacht? Das muss doch aufgefallen sein, wenn Sie die ganzen Kisten rausschleppen", versucht er dem Fall auf den Grund zu gehen. Der Angeklagte winkt ab. Niemand habe bemerkt, wenn von den riesigen Mengen etwas fehlte. "Die Sachen standen zum Teil nicht mehr auf der Karte, außerdem waren Werbegeschenke dabei." Die Inventur habe er selber erledigt, sie sei nie überprüft worden. Vielleicht wäre der Diebstahl nicht nur über vier Jahre, sondern auch noch längere Zeit nicht aufgefallen, wenn Jan K. nicht an Depressionen gelitten und bei der Arbeit gefehlt hätte, ohne sich krank zu melden. Daraufhin wurde ihm gekündigt und der Firmenwagen abgenommen. "Darin lagen die ganzen Bestellungen", erzählt der Verteidiger. "So ist man ihm auf die Schliche gekommen." "Dumm gelaufen", kommentiert der Amtsrichter trocken.

Doch es war dies nicht das erste Mal, dass der Angeklagte sich strafbar gemacht hat. Schon früher hatte er versucht, aus Champagner Kapital zu schlagen, allerdings in kleinerem Stil. Doch da war er an seiner eigenen Unzuverlässigkeit gescheitert. Ein Kunde, der über Ebay Flaschen einer Edelmarke ersteigert und dann vergeblich auf seine Lieferung gewartet hatte, hatte seinerzeit gegen Jan K. Anzeige erstattet. Damals war der 41-Jährige noch mit einer Geldstrafe davongekommen. Damit kann es in diesem neuerlichen Fall bei Weitem nicht sein Bewenden haben, darüber sind sich alle Verfahrensbeteiligten einig. Zulasten des Angeklagten gehe vor allem, so die Staatsanwältin, dass es sich um ein "sehr planvolles Vorgehen" gehandelt habe und die Taten über einen langen Zeitraum verübt wurden. Strafmildernd wirke sich dagegen vor allem das Geständnis aus. Der Verteidiger argumentiert unter anderem, dass der Schaden ein "Hotel nicht so trifft, dass man gleich sagen kann, es wird zugrunde gerichtet".

Anderthalb Jahre Haft ist schließlich das Urteil des Amtsrichters, die er noch zur Bewährung aussetzt. "Das war wirklich knapp", warnt er Jan K. "Da habe ich schon ein bisschen Magenschmerzen." Auch der Angeklagte macht nicht den Eindruck, als sei ihm zum Feiern zumute. Die Lust auf Champagner sollte ihm vergangen sein.