Historikerinnen laden zu einer Zeitreise durch den Hamburger Stadtteil Bramfeld ein, zeichnen mehr als 100 Jahre Geschichte nach.

Hamburg. Gut zwei Jahre Arbeit stecken in dem hübschen Büchlein über einen der wahrscheinlich am häufigsten unterschätzten Stadtteile, die Hamburg zu bieten hat. Dabei handelt es sich bei Bramfeld mit seinen 50 000 Einwohnern sogar um einen der größten, auch weil sich zu ihnen eigentlich noch einmal 20 000 Menschen aus Steilshoop gesellen. Denn historisch betrachtet, sagt Ulrike Hoppe, 58, vom Bramfelder Stadtteilarchiv, hingen die beiden Viertel ja schon immer zusammen, auch wenn sie heute verwaltungstechnisch voneinander getrennt seien.

"Auf den ersten Blick wirkt Bramfeld tatsächlich ein wenig langweilig", sagt Ulrike Hoppe und blickt aus dem erstaunlich winzigen Stadtteilarchiv im unübersehbar gelb gestrichenen "Bramfelder Kulturladen" ("Brakula") auf die vierspurige Bramfelder Chaussee hinaus. Das läge vor allem an dem Bekenntnis Hamburgs zur Auto-Mobilität in der Wiederaufbauphase nach dem Krieg, als Straßen verbreitert und neue Trassen gebaut wurden - häufig auf Kosten alter Bausubstanz. Im Gegenzug wurde die Straßenbahn bereits im Jahr 1965 eingestellt, und auch die versprochene U-Bahn-Anbindung an die City wurde nicht realisiert. "Verkehrspolitisch wurde Bramfeld leider ziemlich stiefmütterlich behandelt."

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Ulrike Hoppe und ihre Co-Autorin, die Sozialpädagogin Gudrun Wohlrab, 47, die in Bramfeld unter anderem das "Historische Kinderprojekt" betreut, haben 45 alten, zum großen Teil bisher unveröffentlichten Fotografien aus Privatbesitz die aktuellen Aufnahmen der markanten Ortsmarken gegenübergestellt. Dabei achtete Gudrun Wohlrab vor allem darauf, genau dieselbe Kameraposition einzunehmen wie die zumeist unbekannten Fotografen damals. Auf diese Weise zeichnen die beiden Autorinnen über 100 Jahre Stadtentwicklung nach, fördern dabei so manche Überraschung zutage und frischen Erinnerungen auf: Wer weiß beispielsweise, dass die Baumarktkette Max Bahr aus einer Stellmacherei an der Ecke Herthastraße/Bramfelder Chaussee im 19. Jahrhundert entstanden ist? Dass noch bis in die 1960er-Jahre hinein die Fabriciusstraße von ausgedehnten Rhabarberfeldern gesäumt wurde? Dass Bramfeld einst zehn Bauernhöfe beherbergte und trotz seines dörflichen Charakters bis in die 1970er-Jahre hinein zahlreiche Kneipen, Restaurants, Tanzsäle und sogar drei Kinos besaß?

Ihr Buch möchten die beiden Autorinnen jedoch auch als kulturpolitisches Warnsignal verstanden wissen - besonders im Hinblick auf die "Bramfelder Kulturinsel", über die nun schon seit mittlerweile zehn Jahren diskutiert wird und die angesichts der beengten Verhältnisse im "Brakula" schon seit Längerem als dringend notwendig erachtet wird. "Der dörfliche Charakter Bramfelds spiegelt sich in einem besonders regen Vereins- und Kulturleben wider", sagt Ulrike Hoppe, "aber es gibt zum Beispiel keinen vernünftigen Bürgersaal und wir platzen hier sowieso aus allen Nähten." Das Potenzial für eine lebendige Stadtteilkultur mit all ihren Facetten sei vorhanden - aber nicht der Platz dafür. "Das muss man sich mal vorstellen - in einem Stadtgebiet, das fast so viele Einwohner hat wie Lüneburg!"

"Hamburg-Bramfeld", Ulrike Hoppe und Gudrun Wohlrab, Sutton Verlag, 96 Seiten, ISBN 978-3-86680-844-7, 19,95 Euro