Die Märkte werden von der Gier getrieben. Aber die gesellschaftlich gewollten Regeln müssen auch für Banken und Unternehmen gelten

Fehlt es unserer Wirtschaft, speziell den Bankern, an ethischen Werten? "Sie wollen Wirtschaftsethik studieren?", fragt der österreichische Satiriker Karl Kraus und gibt die Antwort: "Dann studieren Sie entweder das eine oder das andere!", so als passten Wirtschaft und Ethik nicht in eine Wortverbindung. Ähnlich kritisiert der Systemtheoretiker Niklas Luhmann: "Es gibt Wirtschaft, es gibt Ethik - aber es gibt keine Wirtschaftsethik." Und tatsächlich vertreten gerade neoliberale Ökonomen die Theorie, die Freiheit der Wirtschaft gelte absolut nach dem Motto: je mehr Freiheit, desto größer der Erfolg. Der ökonomisch handelnde Mensch soll frei sein von den Zwängen ethischer Regelungen. Besonders drastisch lehnt Philosophieprofessor Wolfgang Kersting die "Durchsetzung besonderer moralischer, ethischer oder religiöser Vorstellungen" ab, weil dies die "Handlungsfreiheit" einschränkt und damit die Möglichkeit "in völliger ethischer Unabhängigkeit sein Leben" zu gestalten.

Und so denken auch manche un-verantwortliche Wirtschaftsführer: "in völliger ethischer Unabhängigkeit" nehmen sie sogar den Tod von Menschen in Kauf, nur um einen größeren Profit zu machen.

Das US-Pharmaunternehmen Eli Lilly verdiente Milliarden Dollar mit einem gefährlichen Medikament auf Kosten von Patientenleben. Die französische Pharmafabrik Servier verkaufte jahrelang ein - in Deutschland nie zugelassenes - Medikament namens Mediator, das nach Angaben des französischen Gesundheitsministeriums für bis zu 2000 Todesfälle verantwortlich war. Handlungsmotiv ist immer wieder die Gier der Handelnden.

Und die Gier treibt seit einigen Jahren besonders Leute in der Finanzwelt an. Der amerikanische Finanzier George Soros sagte beim Weltwirtschaftsforum in Davos, die Märkte seien getrieben von "greed and fear", von der Gier, noch mehr zu bekommen, aber auch von der Angst, es schnell wieder zu verlieren. "Es ist gut, wenn man habgierig ist", so spricht der Wirtschaftskriminelle Gordon Gekko in dem Film "Wall Street". Die Figur des Börsenhais Gekko ist keine reine Erfindung von Drehbuchautoren, sondern sie hat Vorbilder, etwa den amerikanischen Börsenspekulanten Ivan Frederick Boesky, den der Film zitiert. Boesky wurde wegen Insiderhandels zu drei Jahren Gefängnis und 100 Millionen Dollar Geldstrafe verurteilt.

Wir brauchen nur die Wirtschaftsseiten der Zeitungen aufzuschlagen, um jeden Tag zu lesen, welche Vorwürfe die Justiz gierigen Bankern macht. Es gibt auch Banken, die sich um Ethik bemühen. Aber die stehen weniger im Rampenlicht. Es ist aber wichtig, Beispiele hervorzuheben, die beweisen, dass Wirtschaft und Ethik zusammengehören. Sparkassen und Genossenschaftsbanken, manche Privatbank bemühen sich darum. Auch in der Wirtschaft sind Unternehmen erfolgreich, die sich in erster Linie nicht nach dem Gewinn ausrichten, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Die Otto Group, der Welt größte Versandhändler, bemüht sich um Nachhaltigkeit. Die Nahrungsmittelfirma Danone setzt seit Jahrzehnten auf ein Ethik-Konzept, die Drogeriekette dm beschränkt sich auf eine Rendite von einem Prozent, investiert den Rest ins Unternehmen und zahlt Löhne über Tarif. Wenig bekannt ist, dass die Uhrenmarke Rolex einer Stiftung gehört, die viel Geld in Schulen und soziale Projekte investiert. Wirtschaft und Ethik gehören zusammen. Denn es kann keinen Bereich innerhalb einer Gesellschaft geben, der sich von den gesellschaftlich gewollten Regeln frei macht. Und die Wirtschaft muss wissen, dass es keine Sonderregelungen für sie gibt.

Auch Gewinn und Ethik widersprechen sich nicht. Es kommt nur darauf an, wie der Gewinn erzielt wird. Gewinn sollte nicht das einzige Ziel eines Unternehmens sein: Denn finanzieller Profit ist nur ein Handlungszweck, aber kein endgültiges Ziel.

Die Wirtschaftswelt muss einsehen, dass "es eine Moral in der kapitalistischen Gesellschaft gibt (und es muss sie unbedingt auch in der kapitalistischen Gesellschaft geben)", sagt der französische Philosoph André Comte-Sponville, und diese Moral muss "ihren Ursprung, wie in jeder Gesellschaftsform, außerhalb der Wirtschaft haben".