Bei seiner großen Liebe spielte er zuerst defensiv. Der entscheidende Pass bei dieser Partie kam dabei von seinem Freund Klaus Stürmer.

Hamburg. So blitzschnell, wie er früher im Strafraum agierte, handelte Uwe Seeler als Studiogast bei der Talkshow "3 nach 9" am vergangenen Freitag in Bremen. Flugs griff er das Glas Wasser vom Tisch, um eine Frage zu beantworten, die er schon seit Jahrzehnten perfekt drauf hat, wie man heute so lässig zu sagen pflegt.

Moderator Giovanni di Lorenzo wollte nichts mehr über die Alltagssorgen des HSV erfahren. Er eröffnete vielmehr das Gespräch mit der Frage: "Mal ehrlich, Herr Seeler, Sie sind fast 53 Jahre mit Ihrer Ilka verheiratet. Sie haben drei erwachsene Töchter und sieben Enkelkinder. Warum funktioniert Ihre Ehe so gut, was ist das Geheimnis?"

Uwe nippt am Wasserglas, lehnt sich zurück und lächelt zufrieden: "Ich muss ja jetzt vorsichtig sein, denn Ilka schaut zu. Aber Spaß beiseite: Es gibt kein Geheimnis. Es war Gottesfügung, es hat einfach gepasst." Sekundenlang gibt's Beifall. Dann blitzt Schalk in Uwes Augen auf : "Ich war und bin ja auch ein toller Kerl. Ilka hat mich glücklich gemacht." Nächster Wasserschluck. Prost.

Da ist sie also, die Frage nach dem Glück einer Ehe in dieser Welt, wo die Sportler- und Schauspielerehen sehr oft sehr kurzlebig sind. Da ist die Frage, ob es Zufall, Schicksal oder Kunstfertigkeit ist, eine Ehe richtig zu steuern, wo jeder Tag ein Stein im Mosaik des Miteinanders ist.

Uwe und Ilka Seeler sind in diesem Mosaik perfekt. Er gesteht: "Ich kenne das Operettenlied, es kommt auf die Sekunde an bei einer schönen Frau." Wer einmal zu Gast bei den Seelers ist, spürt die Zärtlichkeiten des Ehepaares in den kleinen Dingen. In den heimlichen Gesten, in dem bewussten Sich-Hinwenden zur geliebten Partnerin. Das braucht Zeit und Ruhe und Kraft und wieder Zeit. Am 18. Februar 1959 heiratet der 24 Jahre junge Jungstar des HSV in der St.-Johannis-Kirche zu Eppendorf die Handballspielerin Ilka Buck, Tochter eines Schiffsingenieurs.

"Uns Uwe" hatte mal wieder - wie so oft mit dem Lederball auf dem Platz - gewonnen, diesmal ganz privat. Gegen seinen Freund Klaus Stürmer. Lassen wir Uwe selbst erzählen: "In der Silvesternacht 1953/54 wollte meine Fußballtruppe mit unseren Handballmädels gemeinsam feiern. Wir schickten den Klaus als unseren Abgeordneten zu den Damen mit einer Einladung. Er kam mit einer Zusage zurück. Die Fete war heftig und lang. Was meine Sympathie zu Ilka betraf - ich spielte defensiv. Ein Tänzchen, etwas Small Talk, mehr nicht."

Am nächsten Tag auf dem Programm: Durchpusten - Spaziergang an der Elbe. Uwe und Klaus fahren nach Eppendorf in die Isestraße 79, um Fräulein Buck abzuholen. Original-Erinnerung Uwe Seeler: "Schlitzohr Stürmer wollte Ilka dabei mit einer Tafel Schokolade überraschen, klingelte und verschwand im Hausflur. Ich wartete gelangweilt im Auto. Nach wenigen Minuten war Klaus wieder unten, zuckte mit den Schultern und sagte nur: ,Dicker, bei der süßen Deern hab ich keine Chance. Du sollst jetzt raufkommen und sie abholen.' Ich erwiderte verdattert, dass ich keine Schokolade hätte. Klaus grinste mich an und sagte: ,Macht nix, ich hab Ilka meine gegeben und gesagt, dass die von dir sei.'" Die Folgen sind bekannt. Eine Ehe seit über 52 Jahren. Drei Töchter.

Damit die "Niederlage" für Stürmer erträglich blieb, fuhren Ilka, Uwe und Klaus zu dritt zum Wintersport nach Sudelfeld. Niemand ahnte, dass zehn Jahre später Klaus Stürmer an Krebs sterben würde, im Alter von 36 Jahren.

Das Ehepaar Seeler nimmt jeden Tag als Geschenk. Sie war die perfekte Organisatorin hinter den Kulissen, sie regelte alle häuslichen Probleme wie Kindererziehung, Schule, geschäftliche Termine und den Haushalt. "Ja, ich hatte es verdammt gut", sagt Uwe heute, "ich konnte mich voll und ganz auf meinen Beruf als Kaufmann und Fußballprofi konzentrieren. Kam ich vom Spiel nach Hause, hieß die Order für die gesamte Familie: ,Bitte Ruhe im Haus, Papa ist da.' Ich schlüpfte in meine Pantoffeln und bekam zum Abschalten ein Gläschen Bier."

"Ilka war mein bester Treffer", gestand Uwe Seeler im Rathaus, als er zum Ehrenbürger unserer Hansestadt ernannt wurde. Warum der beste Treffer: Die Dame an seiner Seite besitzt ein besonderes Gespür für jede Situation. Verletzende Worte und schlechte Laune gibt es nicht. Und wenn es mal rumst - wie in jeder Ehe - dann ist das am Abend vergessen. Die Gespräche sind geprägt von Vertrauen und Ehrlichkeit, wahrlich Kostbarkeiten in dieser hektischen Welt.

Natürlich ist Ilka stolz, wenn am kommenden Sonnabend über 350 auserwählte Gäste ihren Uwe feiern und Loblieder auf sein Leben singen. Sie legt aber Wert auf die Feststellung: "Mein Uwe hat die tolle Sportkarriere aber nicht alleine geschafft. Wichtig war, dass ihm andere geholfen haben. Die anderen: die Mannschaftskameraden und Trainer beim HSV und in der Nationalelf. Ein Mann verdient besondere Anerkennung: der legendäre Weltmeister Jupp Posipal. Er war wie ein Vater für meinen Uwe."

Wer, wie der Autor dieser Serie, seit 48 Jahren im Hause Seeler zu Gast sein darf, den erinnert der Hausherr oft an Otto von Bismarck und Winston Churchill. Winston Churchill nannte seine erfolgreiche Werbung um Ehefrau Clementine "den glänzendsten Sieg meines Lebens". Churchill wurde reichlich belohnt und rief einmal öffentlich im Parlament: " Ich heiratete - und lebte von da an glücklich bis auf den heutigen Tag." Und von Bismarck ist das Bonmot wenige Wochen vor dem Tod seiner Frau Johanna überliefert: "Man nennt mich immer fälschlich den ,Einsiedler im Sachsenwald', aber ich bin ein Zweisiedler. Alles, was ich geworden bin, verdanke ich meiner Frau."

Wie sagte Uwe so schön: "Ilka war mein bester Treffer." Und das ist sie bis heute. Auch dazu - Glückwunsch.

Lesen Sie morgen: Er kämpfte auf dem Platz und privat für andere