Wer Facebook nutzt, sollte wissen, wie kommerzielle Netzwerke im Internet funktionieren

Mehr als 800 Millionen Nutzer sind nicht nur ein Indiz, sie sind ein Beleg dafür, dass Facebook ein erfolgreiches Geschäftsmodell ist. Und um zu verstehen, warum das Unternehmen aus dem kalifornischen Palo Alto trotz undurchsichtigen Datengebarens diesen enormen Zuspruch erfährt, muss man nicht BWL studiert haben. Es reicht ein Blick auf die Zahlen: Pro Sekunde werden 1000 Fotos hochgeladen, pro Monat 60 Milliarden Kommentare abgegeben. Und nicht zuletzt verbringen die 20 Millionen deutschen Nutzer 15 Prozent ihrer gesamten Online-Zeit bei Facebook.

Wer bei diesem profitorientierten Unternehmen angemeldet ist, liebt es, private Informationen preiszugeben. Er zahlt damit, und zwar gern. Deshalb klingt der Ruf nach dem Schutz der Privatsphäre zwar schön korrekt, ist aber reichlich illusionär.

Denn bei aller Erregung über automatische Gesichtserkennung oder Datensammelwut darf nicht vergessen werden, wie das vermeintlich kuschelige soziale Netzwerk tickt. Es basiert zwar auf Freiwilligkeit, ist aber - wie jede analog operierende Firma auch - auf Gewinnmaximierung getrimmt und soll deshalb seinen Kundenkreis mindestens bei der Stange halten, wenn nicht mehren. Und dafür sind bekanntlich alle Mittel recht. Insofern ist Facebook die vielleicht radikalste Form des Netzkapitalismus.

Das Unternehmen setzt auf technische Innovationen, die die Nutzer in Anspruch nehmen oder darauf verzichten können. Und in der Grauzone nicht einheitlicher Datenschutzgesetze klicken nun mal viele gern und neugierig und nehmen wissentlich in Kauf, dass ihr Handeln in Information umgewandelt wird. Da hat sich Facebook zunächst nichts vorzuwerfen.

Firmengründer Mark Zuckerberg nutzt lediglich die steigende Begeisterung der Menschen an Daten, Informationen und neuen technischen Errungenschaften. Das ist die Währung, die Facebook seinen Werbekunden zur Verfügung stellt.

Sicher, Facebook könnte seine Neuerungen offensiver bekannt machen. Für Minderjährige und Neukunden wären ein Schutzmechanismus oder eine deutliche Gebrauchsanweisung sinnvoll. Aber warum wird bei Datenschützern davon ausgegangen, dass jeder Internetnutzer ein unmündiger Anfänger ist? Mal abgesehen davon, dass jedem sozialen Netzwerker grundsätzliche Informationszurückhaltung obliegt. Facebook zwingt nun wirklich niemanden, Auskunft über Aufenthaltsort, Lieblingsbuch oder die aktuelle Beschaffenheit der Kinderexkremente zu geben.

Immer mehr Menschen lieben es aber, sich mit anderen im Internet über vermeintliche Banalitäten oder Konsumgewohnheiten auszutauschen. Insofern hat Hamburgs Datenschützer Johannes Caspar zwar recht, dass sich die Vorstellung von Privatsphäre grundlegend ändert. Aber das muss nicht zwingend negativ ausgelegt werden. Denn die Bereitschaft der Nutzer, private Informationen digital auszutauschen, spricht dafür, dass ein gesellschaftlicher Prozess im Gang ist. Privat wird künftig nur noch sein, was nicht publiziert wird.

Natürlich ist der Schutz personenbezogener Daten wichtig und nicht grundlos ein Grundrecht, das in Artikel 8 der EU-Grundrechtecharta verankert ist. Aber solange keine einheitlichen Datenschutzrechtlinien bestehen, muss jeder damit leben, dass Internetkonzerne die Grenzen ausloten. Jeder muss entscheiden: Ist man bereit, für personenbezogene Offerten und Zeitersparnis das Datensammeln dieser Unternehmen in Kauf zu nehmen? Denn tatsächlich weiß niemand, was aus Facebook (und seinen Daten) wird, sollte das Unternehmen irgendwann von einem anderen Konzern geschluckt werden.

Es genügt deshalb nicht, in die Klagen der Datenschützer einzustimmen. Vielmehr muss jeder Internetnutzer möglichst viel Medienkompetenz erlangen und sein eigener Datenschützer werden.