Olaf Block hat einen Fußballklub für Kinder in dem Problem-Stadtteil gegründet. Weil viele Eltern arm sind, haben nicht mal alle Mannschaften Trikots.

Hamburg. Es ist, das darf man sagen, ein ziemlich großartiges Projekt, das Olaf Block im vergangenen Jahr auf der Veddel ins Leben gerufen hat. Streng genommen hat er bloß einen Fußballverein für Kinder gegründet. Doch für die Sechs- bis Elfjährigen in dem sozial benachteiligten Stadtteil bedeutet das enorm viel. Denn einen Verein, in dem sie kicken können, gab es seit 15 Jahren nicht mehr auf der Veddel. Beim Training lernen sie schon nach kurzer Zeit nicht nur Fußballspielen, sondern auch Grundlegendes wie Pünktlichkeit, Disziplin und Respekt im Umgang miteinander. Sie haben endlich eine Alternative zum Rumhängen auf der Straße und kommen an den Wochenenden durch Auswärtsspiele mal raus aus ihrer Umgebung. Aber einen Verein zu führen bringt gerade an Orten wie der Veddel viele Herausforderungen mit sich.

Olaf Block sitzt auf einer Holzbank in der Turnhalle der Schule Slomanstieg. Vor ihm trainieren 14 Jungs aus der D-Jugend des FC Dynamo mit Trainer Chalint Azis. Sie sprinten, dribbeln und stoppen. Nur zwei Kinder sind deutsch, die anderen haben Migrationshintergrund - der Ausländeranteil im Verein beträgt 97 Prozent, vertreten sind 16 Nationen.

"Wir kämpfen mit drei großen Problemen", sagt der 40 Jahre alte Vorstandsvorsitzende und fährt sich durchs kurz geschnittene blonde Haar. "Die Vereinsbeiträge werden sehr unregelmäßig gezahlt, sodass wir immer knapp bei Kasse sind. Außerdem stehen uns für sieben Mannschaften lediglich drei Trikotsätze und eine Hallentrainingszeit von nur eineinhalb Stunden pro Woche zur Verfügung."

+++ Info: Das ist die Veddel +++

Das erste Problem hängt mit der Zahlungsmoral der Eltern zusammen. Nicht für jeden Spieler werden die fünf Euro Vereinsbeitrag so selbstverständlich bezahlt wie für Jean Luca. Der Zehnjährige ist hyperaktiv und seit sechs Monaten im Verein. "Es tut ihm gut, sich regelmäßig auszutoben", sagt seine Mutter Saskia Herms, die dem Training vom Hallenrand aus zusieht. Den Beitrag für Jean Luca zahlt ihr Vater - darüber ist sie froh, denn das Geld ist knapp, obwohl sie selber Arbeit hat. Im Unterschied zu vielen anderen Eltern im Verein. "Etwa 65 Prozent von ihnen leben von Hartz IV", sagt Block. Manche können die monatlichen fünf Euro nicht zahlen, andere wollen nicht. Wieder andere haben für ihre Kinder die Teilnahme am Projekt "Kids in die Clubs" beantragt - ihre Vereinsbeiträge übernimmt die Hamburger Sportjugend. Weil die Zahlungen nur einmal im Quartal erfolgen, hat Block in dieser Saison noch kein Geld bekommen.

"Es fehlen rund 250 Euro", sagt er. "Dafür könnten wir fast einen weiteren Satz Trikots kaufen." Die gelben Shirts werden dringend benötigt. "Momentan müssen die Trikots sofort nach den Spielen sofort gewaschen und weitergegeben werden", sagt Block. Ein ziemlicher Aufwand. Dass die Kinder heute das Vereins-Outfit zum Training anziehen durften, ist eine Ausnahme - und nur dem Termin mit dem Abendblatt geschuldet. Einen der drei Trikotsätze spendete ein großer Autowaschbetrieb. Kurz vor Weihnachten hatte Block etwa 120 Firmen in der Umgebung angeschrieben und um Unterstützung gebeten. "Vier haben uns Geld- und Sachpreise geschickt", sagt Block. Immerhin konnte er davon eine kleine Weihnachtsfeier veranstalten, einen weiteren Trikotsatz und vier neue Fußbälle kaufen.

Mit Unterstützung der Laureus-Stiftung und dem Hamburger Fußballverband hat Block gerade eine Mädchenmannschaft gegründet. Damit kicken mittlerweile 90 Kinder bei Dynamo, trotzdem ist die Vereinskasse nie voll. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete der Verein ein Plus von weniger als 100 Euro, denn die laufenden Kosten sind hoch: Spielerversicherung, Mitgliedsbeiträge bei Sportjugend und Fußballklub, Schiedsrichtergelder, Strom für die Sportplatzbeleuchtung, Kreide für die Linien, Verbandskästen, Trinkflaschen - eigentlich müssten auch die Kosten für die Trainerlizenz übernommen werden, die Olaf Block und Chalint Aziz gerade erwerben. Doch wegen der Ebbe in der Vereinskasse zahlen sie das aus eigener Tasche. Jeder 120 Euro. Für Lagerarbeiter Block, zurzeit arbeitslos, eine Menge Geld.

Etwa 30 Stunden in der Woche widmet er seinem Ehrenamt für den Jugendfußballverein. Und nimmt es fast persönlich, wenn seine Leidenschaft nicht geteilt wird. Nicht von den Eltern, die sich bei Heimspielen kaum blicken lassen und denen es egal ist, wie ihr Kind zu den Auswärtsspielen kommt. Und nicht von den Mitarbeitern im Bezirksamt, die die Hallentrainingszeiten vergeben und einem Jugendverein in einem sozialen Brennpunkt nur eineinhalb Stunden zugewiesen haben. "Die Sporthalle steht nachmittags oft leer", sagt er. "Ansonsten wird sie oft von Erwachsenengruppen genutzt, die auch in Wilhelmsburg oder Harburg trainieren könnten."

Die Nachwuchskicker aber danken ihm sein Engagement mit Eifer und Siegeswillen. So wurde die damalige E-Jugend im Frühjahr dieses Jahres Meister in ihrer Staffel - obwohl sie wegen des langen und strengen Winters nur ein paarmal trainieren konnte. Die Sporthalle nämlich steht den Kindern vom FC Dynamo erst seit diesem Herbst zur Verfügung.