Früher war der Marktplatz des Stadtteils Rothenburgsort von Ödnis und Leerstand geprägt. Jetzt entstehen hier Wohnungen und Gewerbe.

Hamburg. Vorsichtig gehen die Passanten den Weg, der sie zwischen rot-weißen Absperrgittern über die Baustelle führt. Er ist staubig und uneben, daneben lärmen die Maschinen der Bauarbeiter. Seit zwei Jahren wird am Rothenburgsorter Marktplatz gebaut. Das zieht viele Einschränkungen für die Bewohner des Stadtteils nach sich. Trotzdem meckert kaum einer. Jahrelang glich das Zentrum von Rothenburgsort einer Geisterstadt - mit maroden, zweigeschossigen Pavillons aus den 50er-Jahren, in den verlassenen Geschäften wuchsen Schimmelpilze fast knöchelhoch. Seit 1996 sollte der Marktplatz umgestaltet werden - doch Investoren kamen und gingen, und nichts geschah.

Bis die AVW Immobilien AG das Gelände 2009 erwarb. Sie errichtet nun auf dem Marktplatz einen Gebäudekomplex mit 52 teils schon bezogenen Wohnungen, Praxis- und Gewerbeflächen, einem Pflegeheim, Seniorenwohnungen und einer Kita. 2012 soll alles fertig sein. "Für Rothenburgsort bedeutet das eine enorme Verbesserung", sagt Anwohnerin Anja Oltmanns. "Der Standort wird durch den Einzelhandel und durch den Zuzug neuer Bewohner wieder attraktiv."

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Auch der Rothenburgsorter Hermann Teiner ist erleichtert. "Es ist gut, dass das öde Gelände wieder belebt wird und der Leerstand ein Ende hat", sagt er. Ulrike Brandenburg begrüßt, dass hier Wohnungen für Senioren entstehen. "Es gibt in Rothenburgsort viele Ältere, aber wenig Projekte für diese Altersklasse", sagt sie. Bei manchen Bewohnern des Stadtteils mischt sich jedoch ein Wermutstropfen in die Freude. Etwa bei Ercan Celebi, der seit 20 Jahren direkt am Markt das Bistro-Restaurant Chaplin betreibt. Es grenzt direkt an die Neubauten und ist das letzte Relikt aus der Zeit der alten Bebauung. Als einziger Geschäftsinhaber hat Celebi sein Grundstück nicht verkauft. "Wir wollten unseren Laden nicht aufgeben, um an anderer Stelle als Mieter unterzukommen", sagt er. Doch die Lage mitten auf der Baustelle beschert Celebi finanzielle Einbußen. "Die Leute können nicht mehr mit dem Auto vorfahren, die Laufkundschaft bleibt weg", sagt er. Nur ein Fußweg führt über die abgesperrte Fläche vor seinem Laden, auf der ein Parkplatz entstehen soll. "Man hatte uns anfangs gesagt, die Arbeiten vor unserem Laden wären nach zwei Monaten beendet", sagt Celebi. "Jetzt ist plötzlich die Rede von nächstem Sommer." Durchhalten könne er nur wegen der Stammgäste, die ihm die Treue hielten.

Auch Michael Wolpert, Leiter der Haspa-Filiale Rothenburgsort, ist für seine Kunden nur über den holprigen Weg zu erreichen. "Es ist gut, dass es hier bald wieder eine gelungene Mischung zur Nahversorgung gibt", sagt er. In einem Radius von 500 Metern um den Markt herum gebe es viele große Unternehmen. "Die Mitarbeiter haben Kaufkraft und nehmen Geschäfte und Wochenmarkt sicher gern in Anspruch." Was ihm nicht gefällt, ist die Architektur der neuen Gebäude. "Die hätte ich mir etwas ansprechender gewünscht", sagt er. Auch Ingo Böttcher von der Initiative "Hamburgs wilder Osten" übt verhalten Kritik. "Die zentrale Fläche des Marktplatzes, das Areal innerhalb des u-förmigen Gebäudekomplexes, wurde von der Stadt mitverkauft", sagt er. "Wir hoffen nur, dass es uns Rothenburgsortern auch künftig als sozialer, kultureller und politischer Treffpunkt dienen kann."