Eine Glosse von Jochen Förster

Neulich am Sievekingplatz: Sechs Menschen warten an der Kreuzung darauf, dass die Ampel auf Grün springt, zwei Fußgänger, vier Fahradfahrer, einer von den vieren bin ich. Insgesamt also sechs Leute, an einem herrlich sonnigen Herbstmorgen inmitten der Großstadt, aber ich komme mir in diesem Moment doch ziemlich allein vor. Etwas scheint mit mir nicht zu stimmen, ich bin so unbeschäftigt, gucke einfach so in der Gegend herum, ja, ich riskiere sogar einen Seitenblick, was erlaube ich mir, habe ich denn gar nichts Besseres zu tun?

Zum Beispiel das, was gerade die anderen fünf, was dieser Tage anscheinend alle tun, die sich das volle Programm Modernität geben wollen. Sie gucken auf ihre Smartphones. Tippen was ein. Rufen was ab. Die fünf nutzen jede freie Sekunde, um an der Welt dranzubleiben, bis auf die vor den eigenen Augen, klaro, die gibt's eh schon. So eine 40-Sekunden-Pause an der Ampel ist da eine optimale Gelegenheit. Ich dagegen verplempere wertvolle Verbindungszeit mit konventioneller Warterei, Feedback-freiem Nichtstun, unkommunikativem Herumgeglotze. Ich komme mir mit einem Mal eklatant unoptimiert vor.

Nicht dass Sie denken, ich sei ein technophober Zurück-zur-Natur-Typ oder so. Auch ich habe ein Smartphone, auf dem ich mehrmals täglich gucke, ob irgendwer was will, wie das Wetter wird, was im Kino läuft. Aber ich habe ein Manko. Ich vergesse zu oft, dass ich immer, wenn ich nur herumstehe, genauso gut online sein könnte. Von morgen an werde ich das ändern. Ich werde an jeder Ampel mein Handy zücken. Ich will das üben. Ich bin doch so ungern allein.