Um den Stadtteil zu beleben, will der Bezirk Mitte die Billstedter Hauptstraße auf zwei Spuren reduzieren und löst damit einen Streit aus.

Billstedt. Mariola Leschnak-Bicer steht in ihrem kleinen Laden an der Billstedter Hauptstraße, die Arme verschränkt, das Kinn energisch vorgereckt. Spricht man sie auf die Veränderungen vor der Tür ihres Kosmetikstudios an, löst das einen mittleren Temperamentsausbruch aus. Wenn der Bezirk Mitte, wie geplant, die Zahl der Fahrspuren an der viel befahrenen Billstedter Hauptstraße halbiere, sehe sie schwarz, sagt Leschnak-Bicer. "Wir werden immer mehr Staus bekommen, und die Fahrer werden hier alles zuparken", sagt sie. Eigentlich könne doch alles so bleiben, wie es ist.

Der Streit um die Verkehrsverengung hat einen Keil durch Billstedt getrieben, spaltet Anwohner und Geschäftsleute, von der Politik ganz zu schweigen. Während sich die Billstedter Grünen und Sozialdemokraten eine massive Aufwertung des tristen Viertels erhoffen, halten engagierte Bürger das Projekt schlicht für Unfug - und drohen sogar mit einer Strafanzeige.

Auf dem gut 400 Meter langen Teilstück zwischen der Reclamstraße und der Straße Am Alten Zoll will der Bezirk die Billstedter Hauptstraße von vier auf zwei Fahrspuren zurückbauen. Vor allem der Verkehr von und nach Mümmelmannsberg - rund 25 000 Autos pro Tag - soll durch die wenig verlockende Aussicht, irgendwo im neuen Nadelöhr stecken zu bleiben, deutlich reduziert und auf die Bundesstraße 5 umgeleitet werden. Auf den frei werdenden Flächen an beiden Straßenseiten hingegen sollen neue Radwege gebaut und die Fußwege verbreitert werden. "Dann hätten wir mehr Platz für Fußgänger, dann könnten sich dort kleine Cafés ansiedeln - der ganze Bereich wäre viel lebenswerter", schwärmt die Billstedter Bezirksabgeordnete Kerstin Grahn (SPD). Interessenten gebe es aktuell aber noch nicht.

Testweise will der Bezirk im Frühjahr 2012 Fahrbahnmarkierungen aufbringen, wie man sie von Baustellen kennt. Allein diese provisorische Verengung kostet 100 000 Euro. Rund zwölf Monate will der Bezirk dann stichprobenartig Autos zählen, um anhand des Verkehrsaufkommens zu entscheiden, ob die Zahl der Fahrspuren dauerhaft halbiert und zudem die Fußgängerbrücke über die Hauptstraße einer Fußgängerinsel weichen soll. Das würde rund eine Million Euro kosten.

Die Idee entstand vor sechs Jahren, wurde in Workshops der Stadtteilentwicklungsoffensive "Schau nach Osten" weiterentwickelt und jetzt mit den Stimmen der Grünen und der SPD in der Bezirksversammlung durchgesetzt.

Während Eltern der Kita JuKiCo zuletzt sogar noch Unterschriften für eine Ausweitung des Projekts auf den Bereich östlich der Reclamstraße sammelten, klingt die Idee für Geschäftsleute wie Mariola Leschnak-Bicer nach Traumtänzerei. "Hier war immer tote Hose, und hier wird immer tote Hose sein", sagt sie. "Hier sind doch kaum Fußgänger oder Radfahrer unterwegs. Warum auch?" An der Billstedter Hauptstraße dominiere eine öde, graue Monokultur, säumen Spielhallen, Sportsbars und Döner-Imbisse die Ladenzeilen, am surreal sauberen Billstedt-Center überwölbt eine marode Fußgängerbrücke die Trasse. Die Straße sieht aus wie ein einziger Sanierungsfall und könnte gut herhalten als Symbol für die mannigfachen Probleme des Viertels, die bei der Bildung anfangen und bei der im gesamtstädtischen Vergleich deutlich erhöhten Zahl von Gewalttaten und dem mehr als doppelt so hohen Anteil von Hartz-IV-Leistungsempfängern längst nicht aufhören.

Gerd Imholz lebt in einem gediegenen Ortsteil Billstedts - fremd seien ihm die Probleme im Zentrum deshalb lange nicht. Mit seinem Mitstreiter Hermann May, Vize-Chef des Billstedter Bürgervereins, sitzt er im Büro. Beide haben schon gegen den Bau der Großmoschee an der Billstedter Hauptstraße protestiert. Jetzt sind sie gegen die Verkehrsverengung.

"Das ist der reinste Schildbürgerstreich", schimpft Imholz. In einem mit "Einspruch" überschriebenen Papier haben May und Imholz die Umgestaltung der Straße als rechtswidrig gegeißelt. Für einen derartigen Umbau fehle es alleine schon an einem gültigen Bebauungsplan, zudem würden Steuergelder verschwendet, um den Autoverkehr zu behindern und zusätzliche Fahrradwege zu bauen, obgleich es doch auf beiden Seiten der Billstedter Hauptstraße bereits Radwege gibt, sagt Imholz.

Und ist es nicht so, dass der Ausstoß von Kohlendioxid steigt, wenn es zu mehr Staus kommt und die Fahrer gezwungen sind, längere Umwege in Kauf zu nehmen? "Und das wollen die Grünen", sagt Imholz und klingt verächtlich. Und May sagt: "Das kann nicht die Zukunft sein."

Imholz und May werden weiterkämpfen gegen die Verkehrsverengung. Notfalls, sagt Imholz, werde er Anzeige erstatten gegen die Verantwortlichen des Bezirks, wegen Veruntreuung von Steuergeldern und wegen Steuerverschwendung.