Warum Fußball und Fernsehen füreinander bestimmt sind. Es geht um unvergessliche Erlebnisse und viel Geld

Als ihre innige Beziehung in den 50er- und 60er-Jahren begann, waren beide von runder Gestalt. Der eine aus vernähten Lederstreifen und mit einer Schweinsblase gefüllt, der andere als üppiges Wohlfühlmöbel, um das sich in den Wohnzimmern der Wirtschaftswunderjahre die Familie versammelte. Der eine, der Fußball, ist noch immer rund und misst im Umfang 70 Zentimeter, besteht aber längst aus hochmodernen Kunststoffen aus dem Labor. Der andere, der Fernseher, ist jetzt rechteckig, wird immer flacher und nähert sich in seinen Ausmaßen Kinoleinwänden an. Beide fordern bei ihrer Bedienung den kompletten Menschen. Der Fußball wird mit Füßen getreten und mit dem Kopf gestoßen, das Fernsehen ist mit den Augen (seltener mit dem Hirn) zu verfolgen und mit den Händen zu bedienen.

Es ist nicht vermessen zu behaupten, dass Fußball und Fernsehen hierzulande zu den liebsten Dingen des Menschen gehören. Ja, sogar füreinander bestimmt sind: Das Runde muss ins Eckige. In ein Stadion passen nur einige Zehntausend Menschen. Zu Hause, vor der Flimmerkiste, schauen Millionen den Fußballkünsten der Messis, Ronaldos und Özils zu, am besten beim Bierchen und mit reichlich Knabberkram. Sebastian Vettel fährt ein paar Wochenenden im Kreis, die Biathleten schießen nur im Winter. Fußball geht immer und ist der sicherste Quotenbringer, noch vor Gottschalk und Volksmusik. Jeder erinnert sich, wo er die Endspiele 1966, 1974, 1990 und 2002 gesehen hat.

In grauer oder besser schwarz-weißer Vorzeit haben Fußballvereine noch selbst dafür gezahlt, um ins Fernsehen zu kommen. Heute nennt Alex Ferguson, der altgediente Trainer von Manchester United, das Fernsehen "König" oder gar "Gott", das den Lauf der Dinge bestimmt. "Wenn man dem Teufel die Hand reicht, muss man den Preis zahlen", sagte Ferguson der BBC. Nicht mehr die Vereine oder ihre Liga-Organisationen tüfteln die Spielpläne aus, sondern die TV-Sender diktieren, wann die Millionäre in kurzen Hosen auf den Rasen müssen. Die "mediale Verwertung", wie der Verkauf der Fernsehrechte heißt, macht allein in den beiden Profiligen der DFL 28,6 Prozent der Einnahmen aus - 505,3 Millionen von insgesamt 1,77 Milliarden Euro. Ende der Saison 2012/13 läuft der Fernsehvertrag aus. Liga und Vereine haben ihre Begehrlichkeiten schon definiert und drohen mit dem Ende der guten alten Sportschau. Sepp Blatter, ewiger Präsident des Weltverbandes Fifa, zeigt, wie es geht. Der Schweizer will allein mit der nächsten Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien 3,8 Milliarden Dollar an Fernseh- und Werberechten erlösen.

Mit dem Verscherbeln der Fernsehrechte an große Sendergruppen und internationale Medienkonzerne ist der Fußball nicht nur erwachsen geworden, er hat auch seine Unschuld verloren. Ein David Beckham kann nur deshalb 30 Millionen Euro im Jahr verdienen, weil ihm rund um den Globus Hunderte Millionen Fernsehzuschauer beim Älterwerden zusehen können. Ein Lionel Messi kassiert 24 Millionen Euro im Jahr, weil Fußballfans in hundert Länden nicht genug von seinen Kunststückchen bekommen können. Aber leider muss sich das geneigte Publikum neben den 90 Spielminuten noch von stundenlangen Vor- und Nachberichten mit den Stanzen und Worthülsen der "Gurus und Ex-Gurus" (Rudi Völler) berieseln lassen.

Doch wenn eine freche Pub-Wirtin aus Portsmouth vor dem Europäischen Gerichtshof das Recht erstreitet, ihren Kunden Live-Bilder mittels griechischer Ramsch-Decoderkarte anbieten zu dürfen, geht ein Aufschrei durch die Branche. Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sieht gleich das Abendland in Gefahr und spricht von "gefährlichen Zeiten", die auf den Profifußball zukämen. Praxistests haben in den vergangenen Tagen gezeigt, dass die Fußballbosse den Ball flach halten können. Wer will schon die Live-Atmosphäre eines Fußballspiels mit griechischem Kommentar oder rauschendem Radioton verschandeln? Wie schon Uwe Seeler sagte: "Wenn im Fernsehen Fußball läuft, muss alles um mich herum ruhig sein. Da bin ich wie weggetreten."