Neustadt. Es sollte ein nettes Beisammensein werden, mit möglichst produktivem Ausgang. Frei nach dem Motto: Auf gute Zusammenarbeit. Denn wenn ein Unternehmen ein anderes schluckt, ist die Stimmung unter den Mitarbeitern naturgemäß nicht unbedingt völlig unbelastet. Und so erhofften sich die Verantwortlichen zweier frisch fusionierter Bankhäuser von einem Abend im Januar in einem Hamburger Restaurant mit üppigem Essen und reichlich Alkohol eine entspannende Wirkung. Doch am Ende konnte das Dinner nicht so richtig als allumfassender Erfolg verbucht werden. Denn zwei der Banker sind nach jener Festivität handfest aneinandergeraten, für den einen endete der Abend sogar im Krankenhaus.

Für seinen Kontrahenten hat er jetzt ein juristisches Nachspiel. Und Michael R. ist deutlich anzusehen, dass er sich auf der Anklagebank im Prozess vor dem Amtsgericht ungleich weniger wohlfühlt als auf dem Finanzparkett. Ein wenig finster blickt der 37-Jährige drein, das schwarze Haar hat er mit reichlich Gel streng gebändigt, sein athletischer Körper in dem edlen dunklen Anzug wirkt angespannt. Zu dem Vorwurf der Körperverletzung äußert sich der Aktienhändler mit keiner Silbe. Und so schildert das mutmaßliche Opfer, wie es von Michael R. nach einem geselligen Abend vollkommen grundlos getreten und geschlagen worden sei.

Dabei sei das gemeinsame Essen mit etwa 25 Beteiligten durchaus nett gewesen, erzählt der Bankkaufmann. Es habe Bier, Wein und auch Hochprozentiges gegeben, gegen 2 Uhr seien die meisten aufgebrochen, er habe mit einigen Kollegen geplant, noch in ein anderes Lokal weiterzuziehen. Doch Michael R. habe nicht mitkommen wollen. "Plötzlich rammte er mir ohne erkennbaren Grund das Knie in den Unterleib", empört sich der 42-jährige Zeuge. "Ich ging zu Boden und fragte noch, was das soll." Da habe ihm sein Kollege auch noch die Faust ins Gesicht geschlagen. "Ich war etwa zehn Minuten bewusstlos, dann habe ich mich aufgerappelt. Er verfolgte mich, es ging wie Katz und Maus um ein Auto herum." Schließlich habe der Angeklagte ihn "aufgefordert, niederzuknien und seine Tätowierung am Unterarm zu küssen". Das habe er verweigert, dann ein Taxi anhalten und wegfahren können. Im Krankenhaus wurde später deutlich, wie wuchtig der Faustschlag gewesen sein muss, denn das Opfer trug unter anderem eine Fraktur in der Augenregion davon. Bis heute müssen Titanplatten die Bruchstelle fixieren.

Die Handgreiflichkeiten seien doch eher eine ungewöhnliche Entwicklung, wirft der Amtsrichter ein und erkundigt sich nach etwaigen vorangegangenen Spannungen oder Stress. Doch nach Einschätzung des Opfers muss eitel Sonnenschein geherrscht haben. Es sei lediglich darum gegangen, noch eine andere Lokalität aufzusuchen, insistiert er. Als Michael R. "nicht so richtig wollte", habe er etwas gedrängelt, dass es sicher schön sei, den Abend nett ausklingen zu lassen "bei einem Bierchen oder einem Absacker". Ob er vielleicht etwas deutlicher gedrängt habe, nach dem Motto, der andere sei eine Spaßbremse, hakt der Richter nach. Nein, ganz sicher nicht, wehrt der 42-Jährige entrüstet ab.

Zwei andere Zeugen des Vorfalls bestätigen den Tritt und den Faustschlag. Von einem "verängstigten" Opfer ist die Rede, von einem "defensiven" Mann. Dagegen sei der Angeklagte wohl "nicht abgeneigt gewesen", sich zu prügeln. Und ein 22-Jähriger berichtet von einer Beleidigung. Michael R. habe ihn angefaucht, er könne dessen "hässliche Visage schon den ganzen Abend nicht ertragen". Aber ohnehin sei die Sprache unter Wertpapierhändlern mitunter "eher derbe", relativieren sie. Und nein, winken die Zeugen unisono ab: Beim Abendessen hätten sich alle noch gut amüsiert.

Lediglich Bankkauffrau Anja K. hat da eine andere Wahrnehmung. "Wir sind ja alle eher unfreiwillig zusammengekommen", erzählt die 42-Jährige. Schließlich habe ein Bankhaus das andere geschluckt. "Es ging um Arbeitsplätze, es war ein stressiger Tag." Die Stimmung sei "gezwungen fröhlich gewesen". "Und damit man den Abend ertragen konnte, betrank man sich", fasst der Amtsrichter zusammen. Anja K. gibt sich einen Ruck: "Wenn Sie so wollen: ja." Alle seien schließlich nicht so ganz nüchtern gewesen, erinnert sie sich. Und das spätere Opfer habe Michael R. vor dem Fußtritt auch provoziert. "Er zerrte an ihm herum, der Angeklagte geriet ins Stolpern."

Diese Handgreiflichkeit ist es, die die Attacke von Michael R. schließlich in etwas milderem Licht erscheinen lässt. Am Ende einigen sich die Verfahrensbeteiligten, das Verfahren gegen den 37-Jährigen gegen 6000 Euro Geldbuße einzustellen. Die Hälfte der Summe geht als Schmerzensgeld direkt an das Opfer. Was er von dem Ausgang des Prozesses halte, will der Richter von einem Zeugen wissen. Er habe "eigentlich keine Meinung dazu", antwortet der und fühlt sich sichtlich unbehaglich. "Ich finde es jedenfalls schade, dass es überhaupt dazu kommen musste."