Trotz des noch fehlenden rechtlichen Rahmens ist eine Staatspleite nicht unmöglich, die Risiken sind berechenbar

Die Lage in Griechenland treibt auf eine Staatsinsolvenz zu. Mit immer neuen Staatskrediten aus der Euro-Zone ist das Land nicht zu retten. Ein Schuldenschnitt von etwa 50 Prozent ist notwendig. Viele Beobachter haben dies bereits vor über einem Jahr gefordert, bevor hohe Staatskredite gewährt wurden und die Europäische Zentralbank in großem Stil Griechenland-Bonds kaufte. Die Schwierigkeiten, einen Schuldenschnitt für Griechenland herbeizuführen, der die Zinslasten für Staatskredite wieder auf das beschränkt, was die rückständige und ineffiziente griechische Volkswirtschaft zu leisten vermag, liegen auch darin begründet, dass kein rechtlicher Rahmen besteht, der die Überwindung eines finanziellen Staatsnotstands innerhalb geordneter Verfahren ermöglicht. Der Euro-Stabilisierungsmechanismus (ESM), der ein solches Verfahren vorsieht, muss noch von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden und tritt erst 2013 in Kraft. Dies bedeutet aber nicht, dass es unmöglich oder zu risikobehaftet ist, den Insolvenzfall jetzt auszulösen.

Bei einer Insolvenz würde Griechenland die Bedienung der Schulden aussetzen und erklären, dass es über einen Teilschuldenerlass verhandeln will. Die Ankündigung könnte zu einem Run auf die Banken in Griechenland führen, weil Einleger ihre Guthaben abheben oder sie auf Konten bei sicheren Banken anlegen wollen. Dem könnten die Europäische Gemeinschaft und die Europäische Zentralbank entgegentreten, indem sie die Liquidität der griechischen Banken sicherstellen.

Die mit dem Schuldenschnitt notwendigen Abschreibungen würden einige griechische Banken in die Insolvenz führen. Diese halten ungefähr 62 Milliarden Euro an Staatskrediten, während ihr Eigenkapital nur 45 Milliarden beträgt. Auch die griechische Zentralbank hat sieben Milliarden Euro geliehen. Auch sie wäre insolvent (bei nur 1,7 Milliarden Euro Eigenkapital) und müsste durch europäische Stabilisierungsmaßnahmen mit Geld versorgt (rekapitalisiert) werden. Soweit Banken für die Geldversorgung notwendig sind, sollten sie mit Mitteln des Rettungsschirms (ESM) aufgefangen und später wieder an die Börse gebracht werden, nachdem zunächst Aktionäre und Eigentümer in die Haftung treten. Die Methode hat Südkorea während der Asienkrise erfolgreich angewendet.

Im Euroraum außerhalb Griechenlands halten deutsche und französische Banken ungefähr 35 Milliarden Euro an Griechenlandforderungen, die zu etwa der Hälfte abgeschrieben werden müssten. Dies ist zum Teil geschehen. Es ist nicht auszuschließen, dass einzelne europäische Banken insolvent gingen. Das ist ein normaler Vorgang in einer Marktwirtschaft, bei dem zunächst die Eigentümer haften. Nur wenn die Bank systemrelevant und notwendig für den Kreditkreislauf ist, sollte sie mit dem ESM gerettet werden. Alles dies sind Probleme, die in anderen Ländern (USA) mit Routinen für die Insolvenz staatlicher Institutionen gelöst werden.

Es gibt ein weiteres Risiko. Die Ankündigung, Schulden nicht mehr voll zu bedienen, ist ein Bruch des Kreditvertrags. Der Gläubiger kann den Vertrag fristlos kündigen und den griechischen Staat auf Zahlung des gesamten Kredits plus Zinsen verklagen. So könnte ein deutscher Gläubiger über ein deutsches Gericht in das Vermögen des griechischen Staats in Deutschland vollstrecken lassen. Internationales Recht schützt Staatsvermögen nur gegen Pfändung, soweit es für hoheitliche Aufgaben unerlässlich ist. Daher kann zwar nicht die griechische Botschaft, wohl aber ein dem Staat gehörendes Handelsschiff gepfändet werden. Diese Möglichkeit bringt ein Chaospotenzial ins Verfahren, das bei Bestehen eines Insolvenzrechts für Staaten nicht bestünde. Von dieser Möglichkeit können aber nur die Gläubiger Gebrauch machen, die Kreditverträge ohne Kollektiventscheidungsklauseln haben. Seit etwa 15 Jahren finden sich zunehmend sogenannte Kollektiventscheidungsregeln. Sie ermöglichen einen Schuldenerlass mit Mehrheit der Gläubiger. Die Erfahrungen außerhalb Europa zeigen, dass Gläubiger, die einen Schuldenschnitt ablehnen, die Entschuldung kaum behindern können.

Trotz des lückenhaften Rechts für einen Schuldenerlass Griechenlands sind die Risiken begrenzt und beherrschbar. Auch ein Staatbankrott Griechenlands würde nicht ohne Belastungen für den Steuerzahler abgehen. Dies ist aber allemal besser, als immer mehr Staatsgelder in zwei- und dreistelliger Milliardenhöhe in neue Hilfspakete zu investieren und private Risiken der Marktwirtschaft von der Finanzwirtschaft auf den Bürger zu verlagern.