Das Parkhaus Raboisen hat jetzt einen neuen Hausherrn. Für die beiden Chefs, die Brüder Dehn, ist es jedoch ein trauriger Abschied.

Hamburg. Parkhaus an der Straße Raboisen, Deck sechs. Endetage. Die kräftige Altweibersonne bringt die Häuser zum Leuchten, in schmalen Streifen fallen die Strahlen auf das gut 100 Meter lange Parkdeck. Über dem sechsten Geschoss liegen nur noch Büros. Hier endet das Parkhaus, hier endet auch die Geschichte von Rolf und Werner Dehn als Hausherren der zentral gelegenen Riesengarage. An ihrem letzten Tag als Chefs des ältesten und über Jahre einzigen Parkhauses der Stadt sind die Brüder noch einmal bis nach ganz oben gegangen - um jene Eindrücke aufzusaugen, die bald nur noch Erinnerungen sein werden: das Panorama aus 20 Meter Höhe, das Rumpeln der Autos übers Kopfsteinpflaster, den typischen Geruch nach Benzin und Autoabgasen. Rolf Dehn, 71, atmet tief durch, er kämpft mit den Tränen. "Es bricht einem irgendwie das Herz", sagt er.

Von heute an, Sonnabend, ist die niederländische Firma Q-Park Pächter des Parkhauses Gertrudentor, es heißt jetzt: City-Parkhaus. Mit der Übergabe an die neue Firma geht eine Ära zu Ende. 55 Jahre lang hat Familie Dehn die Geschäfte geführt, bis 1989 als Eigentümerin, dann als Pächterin. Sie hätten gern noch ein wenig weitergemacht, sagt Rolf Dehn. Aber ihr Vertrag lief aus, und der niederländische Parkhaus-Konzern legte viel Geld auf den Tisch - da waren die Dehns aus dem Spiel.

+++ Bauarbeiter parken Moorburg zu +++

Rolf Dehn war 15, sein Bruder Werner 19 Jahre alt, als sie mit ihrem Vater Hugo Cäsar die Pflöcke für den Zaun am Raboisen einschlugen. Einen Tag später rückten die Bagger an, ein Jahr später, Anfang Oktober 1956, eröffnete die "Parkgarage Raboisen". Die 750 Stellplätze zu je 35 Mark im Monat waren im Nu vergriffen.

Dabei wurde Hugo Cäsar Dehn für seine Vision zunächst belächelt. Als er am 9. Oktober 1952 auf seiner Geburtstagsfeier laut über seinen Plan spricht, unken die Direktoren mehrer Benzingesellschaften: "Jetzt, wo er 60 Jahre alt wird, fängt er an zu spinnen." Auch die Stadt Hamburg ziert sich lange, ehe sie die Erbbaurechte für die zwei fußballfeldgroßen Grundstücke am Raboisen herausrückt. Der Plan klingt vor allem deshalb so irrwitzig, weil Anfang der 50er-Jahre auf Hamburgs Straßen wenig Autos unterwegs sind. Doch Dehn rechnet damit, dass die Zahl der angemeldeten Pkw - wie in den USA - bald in die Höhe schnellen wird. Er behält recht, das Parkhaus wird ein Riesenerfolg. "Als die dritte Etage noch gebaut wurde, war der Keller schon vermietet", erinnert sich Werner Dehn.

Der Zweckbau atmet den Geist der 50er-Jahre: die verschnörkelte Architektur, die grünen Kacheln, die ausladenden Fahrspuren. Zu den prominenteren Kunden gehört Inge Meysel, die ihren himmelblauen Ford vor den Auftritten am Thalia-Theater häufig bei den Dehns parkt - sehr zum Leidwesen der Pförtner. "Sie hat ja um jeden Groschen gefeilt", sagt Rolf Dehn. Gemütlich ist es am Anfang, der Umgang zwischen Kunden und Angestellten vertraut, viele begrüßt Hugo C. Dehn mit Handschlag. Wer warten muss, kann in aller Ruhe einen Espresso in der Turino-Bar trinken. Namensgeber der Kaffeebar ist die aus Turin stammende Fließbandwaschanlage. Sie ist die erste Deutschlands, der ganze Stolz von Hugo C. Dehn. 600 Autos schafft sie am Tag, allein 23 Mitarbeiter kümmern sich nur um den Betrieb der Waschstraße.

Sechs Jahre später baut die Familie das Parkhaus an der Gertrudenstraße, 1967 entsteht das Parkhaus Lilienstraße. 1989 kauft die DG-Hyp die Grundstücke an der Gertrudenstraße und am Raboisen auf. Die neuen Parkhäuser werden in einem Komplex zusammengefasst, sind nun zehn statt acht Etagen hoch und haben 2000 Stellplätze.

Und nun? Ende. Zapfenstreich. Ganz abnabeln können sich die Brüder aber noch immer nicht - sie behalten vorerst ihr Büro in der ersten Etage. Dazu bleibt Zeit für das, was Ruheständler nun mal so machen: Rosen züchten und viel reisen. Runter geht's ins Erdgeschoss, der letzte Gang der Dehns endet hier: im Verwaltungsbüro. Es gab viele Tränen, als sie ihren Mitarbeitern für immer "Tschüs" sagten. Alle 13 Mitarbeiter hat die neue Firma übernommen - allein deshalb sind den Chefs Riesensteine vom Herz gefallen. Doris Jajielka arbeitet seit 36 Jahren als Raumpflegerin für die Dehns. "Da kommt Wehmut auf", sagt sie, während Rolf Dehn die letzten Übergabeprotokolle abzeichnet. Für seinen Bruder und ihn bleibt ein Bonus: In den nächsten Jahren dürfen sie "ihr" Parkhaus kostenfrei nutzen.