Ein Plädoyer für eine Kulturstiftung, die nur einen Zweck hat: die Geschichte der Hafenstadt umfassend zu präsentieren

Die Hamburger Geschichtsmuseen kommen nicht zur Ruhe. Das Signal, das Kirsten Baumann mit der Niederlegung des Amts als Vorstand der Stiftung Historische Museen aussendet, muss ernst genommen werden. Vielleicht hilft es, darüber nachzudenken, was wir denn in Hamburg tun würden, wenn wir noch gar kein historisches Museum hätten und nun eines planen würden.

Nichts hat Hamburg so stark geprägt wie sein Hafen. Wie reizvoll, sich vorzustellen, wir würden in einem hellen, modern gestalteten Stadtmuseum/Geschichtsmuseum/Hafenmuseum die Entwicklung des Hafens und deren Auswirkungen auf Hamburg darstellen: der Übergang vom Segel- zum Dampfbetrieb, die Keimzelle des Handels, die Veränderungen im Schiffbau, der Reeder als Beruf und als Institution, die Anbindung des Hinterlandes, die Bedeutung von Elbe, Alster und Freihafen, der Hafen im Krieg, der Nachkriegshafen, die Revolution durch den Container, der Hafen als Arbeitsplatz im Jahre 1900 im Vergleich zu 2010, der Hafen als Schmelztiegel, als Mythos (mehr als nur Reeperbahn), als Kultstätte, als Drehort für Film und Fernsehen, als Fokus der Sozialgeschichte (Arbeitsplatz, Einwanderung, Auswanderung, Barometer der Konjunktur, Streikort, Hafenstraße, Musicalstandort) und vieles mehr.

Natürlich ist es schön, dass wir im jetzigen Hamburgmuseum Renaissanceportale zeigen. Nur gibt es die auch ähnlich schön in anderen deutschen Städten. Aber in Hamburg haben wir die Geschichte einer Welthafen-Stadt zu bieten!

Was folgt aus dieser Diagnose?

Da gibt es das Maritime Museum, Oevelgönne, die Ballin-Stadt, die "Rickmer Rickmers", den Schuppen 52. Alles Ansätze, die aber nicht die große "Story" unserer Stadt erzählen. Um die aber muss es uns gehen, wenn wir ein attraktives Geschichtsmuseum wollen. Und dieses muss sein Zentrum im Hafen haben. Das jetzige Hamburgmuseum könnte als Ergänzung dienen mit den Schwerpunkten frühe sowie bürgerliche Geschichte, Industriegeschichte außerhalb des Hafens, Kulturgeschichte der Stadt. Das Museum der Arbeit kann in dem hier angedachten Stadt-/Hafenmuseum aufgehen. Das maritime Museum und die BallinStadt müssen integriert werden und als Spezialmuseen in die Gesamtkonzeption eingebunden werden. Das Museum Altona gibt die wichtigsten maritimen Stücke ins neue Museum und erhält eine innovative Konzeption als Ausstellungs- und Kulturzentrum mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendkultur (Kinderliteraturhaus, Mal- und Skulpturschule, Open House für Electronic Culture, mehr ein kleines Centre Pompidou als herkömmliches Museum).

Es reicht ein Direktor oder eine Direktorin für dieses neue Stadtmuseum als Hafenmuseum mit den hier skizzierten Außenstellen, denn diese Person muss stets die gesamte Konzeption vor Augen haben und verantworten.

Wie soll ein solches Museum finanziert werden? Wenn diese Vision eines attraktiven Bekenntnisses zur Geschichte der Stadt greift, findet sie auch Unterstützer. Das richtige Grundstück steht jedenfalls in der HafenCity bereit.

Der Stolz auf unsere Stadt sollte den einen oder anderen dazu bewegen, eine Kulturstiftung zu gründen, die nur einen Zweck verfolgt: die außergewöhnliche Geschichte dieser Welthafenstadt, das Ergebnis von Handelsfreude, Kühnheit, Leistungsbereitschaft und Fleiß sichtbar zu machen. Unsere Stadt hat es verdient. Wir können stolz sein auf die einzigartige Geschichte unserer Stadt. Wir sollten sie auch einzigartig präsentieren.

Prof. Dr. Michael Göring, 55, leitet die Hamburger "Zeit"-Stiftung und ist Autor des soeben erschienenen Romans "Der Seiltänzer"