In der HafenCity wird endlich wiederentdeckt, was Städte lebenswert macht

Wunder dauern manchmal etwas länger. Der Masterplan zur Gestaltung der HafenCity ist elf Jahre alt - und bezieht man das Hanseatic Trade Center am Eingang des neuen Stadtteils mit ein, so wird schon bald 20 Jahre an Hamburgs Zukunft gebaut. Für eine Bilanz mag es noch zu früh sein, doch die meisten Einschätzungen liegen im befriedigenden Bereich - wenige Totalverrisse sind zu hören, zugleich werden selten Hymnen auf die HafenCity gesungen. Und vielen Hamburgern ist der neue Stadtteil bislang fremd geblieben.

Das könnte jetzt anders werden - endlich: Mit dem jüngsten Entwurf für den Baakenhafen könnte aus dem künstlichen Stück Hamburg ein Stück Heimat werden. Denn dieser Entwurf bricht mit dem bislang Entstandenen und rückt statt der Architektur den Menschen in die Mitte.

Wo einst das Olympische Dorf in den Himmel wachsen sollte, entsteht ein Viertel, das die Vorzüge des gewachsenen Hamburgs in sich vereinen soll. Es lehnt sich nicht an die Monopoly-Bebauung einer Parkstraße oder Schlossallee an, sondern an beliebte Quartiere. Oberbaudirektor Jörn Walter geht sogar so weit, den Baakenhafen mit der Isestraße zu vergleichen. Im östlichen Teil der HafenCity könnte Hamburg damit sein Maß und seine Mitte wiederentdecken - und eine zeitgemäße Antwort auf die Stadt des 21. Jahrhunderts geben.

Die gründerzeitlichen Altbauquartiere mögen über 100 Jahre alt sein, können aber nach den abstrusen Irrungen und Wirrungen der Architektur-Moderne durchaus als Stadt der Zukunft gelten: Die Isestraße, das Generalsviertel oder Eppendorf bieten die feinkörnige Durchmischung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit und sind optimal verdichtet: Hoheluft beispielsweise ist mit 13 500 Einwohnern pro Quadratkilometer einer der am dichtesten besiedelten Stadtteile Deutschlands - und zugleich einer der beliebtesten. Das Viertel ist der Stein gewordene Beweis dafür, dass Wohnungsbaupolitik nicht in Betonorgien enden muss.

Der Baakenhafen verändert die HafenCity: Die geplante Blockbebauung bringt endlich urbanen Charakter in den Stadtteil, den dort nicht nur Architekturkritiker vermissen. Die bislang dominierenden Solitäre etwa am Dalmannkai erinnern nicht nur den Architekten Hadi Teherani an "Würfelhusten" - sie wirken vereinzelt, deplatziert und vergeben die Chancen, die das Wohnen am Wasser bietet. In Nachbarschaft zur Speicherstadt ist bislang zu wenig Hamburgisches entstanden, zu viel Austauschbares auf hohem Niveau. Auch deshalb machen die Entwürfe für den Osten der HafenCity Mut und Hoffnung - doch noch sind sie Entwürfe.

Ob wirklich in den kommenden Jahren eine zweite Isestraße, eine "weiße Stadt am Wasser", am Baakenhafen entstehen wird, steht noch dahin. Zu wünschen wäre, dass die Hamburger in die Gestaltung des Viertels weiter intensiv miteinbezogen werden - eine echte "Beteiligung der Bürger" einsetzt, die das Baugesetzbuch vorschreibt. Schließlich waren es gerade die Vorschläge der Bürger, die den Masterplan für den Baakenhafen verbesserten.

In der Vergangenheit haben Bauherren, Stadtplaner und Architekten mit ihren Moden die Städte ge- und leider zu oft auch verunstaltet. Es wäre schon viel gewonnen, wenn sich die Architekten daran erinnerten, wo sie selbst am liebsten wohnen, nämlich in den Gründerzeitvierteln. Zwar wird kaum ein Architekt die Jugendstilbauten der Isestraße am Baakenhafen kopieren wollen, aber zugleich werden viele Mieter nicht in gesichts- und geschichtslose Steinkästen ziehen wollen. So viel Moderne wie nötig, so viel klassische Hamburger Baukultur wie möglich, das wäre ein zukunftsgerichteter Wurf für diesen Teil der HafenCity. Und er würde dem Bauprojekt die Identität einimpfen, die bislang viele vermissen: Auch die HafenCity darf wie Hamburg aussehen.