Auch nach der Bundestagsabstimmung zur Euro-Rettung bestehen noch Alternativen, um die Währungskrise zu meistern.

Morgen stimmt der Bundestag über die Ausweitung des Euro-Rettungsfonds EFSF ab. Selten dürften so viele Abgeordnete so hin- und hergerissen sein zwischen persönlicher Überzeugung, Fraktionsdisziplin und der Unsicherheit der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der eigenen Entscheidung. Zweifelsohne ist es mehr als schwierig, das komplexe Thema von Staatshilfen an überschuldete Euro-Länder auf eine Ja-Nein-Entscheidung zu reduzieren. Aber noch immer - selbst nach der Abstimmung - gäbe und gibt es mehr Alternativen als bisher angenommen.

In der Euro-Zone hat die Politik bei der Staatsschuldenkrise bisher auf immer breiter werdende Rettungsschirme gesetzt. Damit wollte man Zeit kaufen. So sollten die stark verschuldeten Mitgliedsländer eine Chance für strukturelle Reformen erhalten, um aus den Schulden herauszuwachsen. Die Realität zerstört brutal diese Hoffnung. Die strukturellen Defizite einiger Länder sind so dramatisch, dass kurzfristig keine Korrektur möglich ist. Mit Spanien und nach der Bonitätsänderung Italien sind große Mitgliedsländer angesteckt worden, deren Finanzbedarf die Möglichkeiten der heute noch besser dastehenden Euro-Länder überfordert. Eine Lösung muss rascher gefunden werden als geplant, weil sonst ein Teufelskreis der Verschuldung sein Unwesen treibt.

Modelle einer Umschuldung oder eines Schuldenschnitts rücken in den Vordergrund. Dabei beginnt sich eine Erkenntnis durchzusetzen, die lange offensichtlich war. Vernünftigerweise wird nicht mehr darauf gesetzt, dass zu einer Umschuldung eines Landes sein Austritt aus der Euro-Zone unabdingbar sei. Die "Griechenland raus"-Forderung wird fallen gelassen. Der Bankrott eines Landes soll möglich werden, ohne dass das Land die Euro-Zone verlässt.

"Geordnete Insolvenz" heißt das Verfahren, bei dem nicht Länder vor der Pleite, sondern durch eine Staatsinsolvenz betroffene private Banken gerettet werden. Anstelle einer Vergemeinschaftung der Staatsschulden erfolgt eine Rekapitalisierung jener Banken, die durch einen Staatsbankrott (zu) hohe Abschreibungen vornehmen müssen. Mit diesem von der IMF-Chefin Christine Lagarde und den Kollegen Harald Hau und Bernd Lucke geforderten Vorgehen würde die Euro-Zone dem deutschen Beispiel bei der Commerzbank im Herbst 2008 folgen. Durch eine (teilweise) nationale Verstaatlichung privater Banken erhielten die öffentlichen Haushalte geldwerte Ansprüche auf Dividenden wie Rückzahlungen gegenüber nationalen Finanzinstitutionen. Damit ist zu Beginn offen, was der Steuerzahler am Schluss tatsächlich zu bezahlen hat. Gerade das Beispiel mit der Commerzbank lässt jedoch hoffen, dass die Kosten nicht ausufern.

Auch bei einer so gestalteten Umschuldung wäre es notwendig und wohl unverzichtbar, insolvente Euro-Länder durch gemeinschaftliche Hilfe zu unterstützen. Denn die betroffenen Volkswirtschaften würden eine Weile von den internationalen Kreditmärkten abgeschnitten und von einem nationalen Banken-Crash betroffen sein. Die gemeinsamen Hilfen müssten dazu dienen, den schwächeren Euro-Ländern temporär günstige Kredite zu gewähren, damit diese in der Lage sind, ihre nationalen Banken zu rekapitalisieren. Ob die gemeinsame Kasse "Rettungsfonds" oder "Euro-Bond" genannt wird, ist eine nebensächliche und eher technische Frage. Sie ist wichtig für die Antwort, wie der Topf gefüllt werden soll. Beim "Rettungsfonds" wird das für Kredite zur Verfügung stehende Finanzierungsvolumen Euro-Land für Euro-Land eingesammelt, beim Euro-Bond wäre es eine einzige Sammelaktion.

Als Gegenleistung für die gemeinsame Absicherung durch Rettungsschirme oder gemeinsame Anleihen (Euro-Bonds) müsste die Übergangszeit genutzt werden, um strukturelle Reformen auf den Weg zu bringen. Passiert das nachhaltig und wirkungsvoll, sollten auch auf dem privaten Kapitalmarkt in vergleichsweise kurzer Zeit wieder Kredite zu günstigen Konditionen zu erhalten sein. Würden Banken statt Staaten gerettet, wäre der Spekulation über das Weiterbestehen des Euro schlagartig die Grundlage entzogen. Dann würde aus der Währungskrise wieder eine Schuldenkrise, bei der nicht nur die Steuerzahler, sondern auch private Gläubiger ihren Teil beitragen.

Der Schweizer Ökonom Prof. Dr. Thomas Straubhaar, 54, ist Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts