Die Stadt braucht eine Fortsetzung der Vision von der Wachsenden Stadt, erwartet der Oppositionsführer vom Scholz-Senat

Es ist nicht nur das Recht des Bürgermeisters, sich Gedanken über die Zukunft seiner Stadt zu machen - es ist seine Pflicht. Olaf Scholz hat die Schlagworte "Big City" und Höhenwachstum eingebracht. Hatte er nicht in seiner Regierungserklärung als "neues" Leitbild die "moderne Stadt" proklamiert und ergänzt: "Es gibt glamourösere Leitbilder. Aber es gibt keine besseren."?

Offenbar hat er seine Meinung schon nach einem halben Jahr geändert. Wirkte das "gute Regieren" selbst ihm als zu plattitüdenhaft und die "moderne Stadt" als zu leer? Hat Scholz zwischenzeitlich bemerkt, dass die Hamburger das Erwachen aus dem Dornröschenschlaf unter dem CDU-Leitbild "Metropole Hamburg - Wachsende Stadt" bewusst leben und nicht zurückfallen möchten in die Stagnation der Neunziger? Allerdings besitzt Scholz (noch) nicht die Größe, darauf aufzubauen, würdigt stattdessen das erfolgreiche Leitbild als "Marketing-Gag" ab. Will er sich zum Erfinder der "wahren" Wachsenden Stadt - unter anderem Etikett - aufschwingen?

Wer kopiert und die Quelle unterschlägt, wird des Plagiats verdächtigt. Aber Hamburg muss sich nicht neu erfinden. Hamburg muss nicht Modetrends hinterherlaufen, es muss den Trend setzen! Unsere Stadt entwickelte unter Ole von Beust die Weltoffenheit und Kreativität, die den Menschen Raum gab, sich zu entfalten und die Chancen einer Metropole zu nutzen. Die Hamburger taten dieses selbstbewusst. 2007 titelte "Der Spiegel": "Vergesst London und Paris! Europas coole Städte sind Amsterdam, Barcelona, Dublin, Kopenhagen, Hamburg (...)." Auf 60 Seiten (!) beschrieb das Leitmedium, warum Deutschlands größte Hafenstadt zu den Top Five auf unserem Kontinent gehört. Heute belegt unsere Heimatstadt im weltweiten Ranking der Lebensqualität unter 140 Metropolen Platz 14 - als erste deutsche Stadt, deutlich vor München und Berlin.

Alles nur ein "Marketing-Gag"? Warum hat Scholz die Bedeutung der Metropolregion in der Regierungserklärung vergessen? Weshalb findet sich kein Wort zur "Big City" in der "Regierungsbibel", die wortgetreu abgearbeitet werden soll? Wenn Scholz die "Verdichtung der Stadt" statt Wohnungsbau auf der grünen Wiese fordert, warum werden in seinem "Vertrag für Hamburg" für die urbanen Bezirke Mitte und Eimsbüttel deutlich weniger Neubauzahlen festgelegt als für die grünen Bezirke Bergedorf und Harburg? Ist es nicht ein fundamentales Missverständnis, wenn die Wachsende Stadt mit Höhenwachstum und Hochhausfantasien gleichgesetzt wird? Ein solches Konzept ist in den 1970er-Jahren bereits gescheitert und beschert der Stadt noch heute Probleme.

Nein, Hamburg muss eine Stadt bleiben, deren weltweite Bedeutung wächst, gerade weil sie ihren einmaligen Charakter bewahrt. Bedeutung erwächst nicht aus Hochhäusern, sondern aus den Köpfen, der Kreativität und Schaffenskraft der Menschen. Statt durch Investitionen in Wissenschaft, Forschung und Kultur Bedeutungs-Wachstums-Impulse zu geben, verordnet der Bürgermeister unserer Stadt einen zehnjährigen Schrumpfungskurs. An die Stelle politischer Verantwortung durch gezielte Aufgabenkritik und konkrete Sparbeschlüsse tritt die pauschale und wenig fantasievolle Deckelung der Aufwendungen bis 2020. Akzente werden so nicht gesetzt!

Die durchdachte und zielgerichtete Politik der "Wachsenden Stadt" hat allein 70 000 neue Arbeitsplätze in Hamburg geschaffen. Sie hat mit HafenCity und dem "Sprung über die Elbe" Impulse gegeben, die das Lebensgefühl neu definieren. Deshalb kam Hamburg zwei Jahre vor der Finanzkrise - erstmals seit 1977 - ohne neue Schulden aus. Als Folge dieses hausgemachten Aufschwungs wird Hamburg in diesem Jahr über 950 Millionen Euro mehr einnehmen als prognostiziert. Unsere Stadt könnte schon jetzt ohne neue Schulden auskommen und so an der Entlastung künftiger Generationen arbeiten. Doch stattdessen werden Mehrausgaben in Millionenhöhe beschlossen und das Ende der Schuldenaufnahme von 2013 auf 2020 verschoben. Statt starkes Vorbild in Deutschland zu sein, wird Hamburg in Sachen Schuldenbremse Letzter - mit Bremen. Zu einer Zeichen setzenden Stadt mit Zukunft passt das nicht. Hamburg als eine der bedeutendsten Metropolen Europas braucht mehr als diese Art des "guten Regierens", mehr als den ideenarmen Versuch, keine Fehler zu machen.