Im Alltag gestaltet sich die Ökumene aber auch nach dem Papstbesuch schwierig

"Wir werden Gott sei Dank evangelischer." Der Satz stammt von Winfried Kretschmann, baden-württembergischer Ministerpräsident und Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken. Gesagt hat ihn der Katholik Kretschmann vor dem Papstbesuch in Deutschland. Ob er nach der Abreise Benedikts XVI. das Gesagte so wiederholen würde? Man darf es bezweifeln.

Auch nach den vier Tagen, in denen der Papst im Land Martin Luthers weilte, wird die katholische Kirche nicht evangelischer. Und sie rückt nicht näher an die Lebenswirklichkeit der Menschen heran. Die Hoffnung auf ein "ökumenisches Gastgeschenk" hat Benedikt sogar als "politisches Missverständnis" bezeichnet. Denn Glaube sei nicht verhandelbar.

Benedikts Geschenk war ein anderes: Seine Warnungen vor einer menschlichen und religiösen Verarmung seines Geburtslandes, seine bemerkenswerten Worte im Bundestag über das Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit, sein überraschendes Lob für die ökologische Bewegung der 70er-Jahre und nicht zuletzt die berührenden Bilder seiner Begegnungen mit den Menschen dieses Landes hinterlassen das Bild einer ergreifenden Barmherzigkeit.

Zugleich hat Benedikt auch enttäuschte Christen zurückgelassen. Eine öffentliche Auseinandersetzung mit Reformfragen - Frauen im Priesteramt, Zölibat, Fragen der Sexualmoral - ist ausgeblieben. Und: Seine Reise hat der Ökumene weniger gebracht als erhofft. Die Sehnsucht nach einem Mehr an Gemeinsamkeit käme für ihn einem Zugeständnis an den Zeitgeist gleich, so deutlich ist Benedikt geworden. Je evangelischer der Glaube, desto schwächer die Bindung an Gott - so müssen protestantische Christen den Papst verstehen. Die Botschaft ist klar und schmerzlich: Mit Benedikt wird sich der Vatikan nicht weiterbewegen. Natürlich ist die Geste erkannt worden, als der Papst das Gespräch mit den Vertretern der evangelischen Kirche im thüringischen Augustinerkloster Martin Luthers suchte. Ja, es fand sogar in freundlicher und von Wertschätzung geprägter Atmosphäre statt. Nur wollte der Papst die Begegnung weder dafür nutzen, seinen eigenen Kummer über die Trennung der Kirchen zu offenbaren, noch wollte er ein versöhnliches Signal senden, das diesen Kummer hätte lindern können.

Niemand hatte erwartet, dass der Bischof von Rom, der sich als Nachfolger des Apostels Petrus versteht, ab sofort katholischen und evangelischen Ehepartnern die gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie erlauben würde. Auch hatte niemand geglaubt, dass er den Protestanten ein amtliches Beglaubigungsschreiben über die vollwertige Anerkennung der evangelischen Kirche mitbringen könnte.

Aber warum musste Benedikt die Erwartung an seine Antworten auf das Miteinander der Gläubigen als "politisches Missverständnis" abtun? Der Papst kennt die Brücke zur Ökumene genau. Ihr Fundament besteht vor allem aus der katholischen Anerkennung Martin Luthers. Indem er in Thüringen Luther ein vorsichtiges Lob aussprach, hat Benedikt durchaus signalisiert, dass er die notwendigen theologischen Schritte zur Versöhnung im Blick hat. Nur den ersten Schritt hin zu dieser Versöhnung, den will dieser Papst nicht mehr gehen. Auch der stillen Hoffung der evangelischen Kirche, im Jahr 2017 die 500-Jahr-Feier der Reformation zu einem ökumenischen Ereignis gestalten zu dürfen, will Benedikt nicht nachgeben.

So gesehen steht die offizielle Ökumene mehr denn je vor einer unlösbaren Aufgabe. Wer die Konfessionsgrenzen im täglichen Glaubensleben überwinden will, muss es weiter heimlich tun. Wie sagte die evangelische Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt nach der ökumenischen Feier mit dem Papst? "Im Gottesdienst aber waren wir alle eins vor dem Herrn."