Sprecher aller Bürgerschaftsparteien kritisieren die Absperrung auf St. Pauli. Sie soll Obdachlose fernhalten.

Hamburg. Der 2,80 Meter hohe Stahlzaun, der Obdachlose von der Kersten-Miles-Brücke an der Helgoländer Allee (St. Pauli) fernhalten soll, ist zum Politikum geworden. Einstimmig haben Sprecher der Hamburger Bürgerschaftsparteien gestern das Vorgehen des Bezirks Mitte und seines Amtsleiters Markus Schreiber (SPD) kritisiert. Mehrfach hatten am Wochenende Hunderte Menschen gegen die Maßnahme demonstriert. Ihre Botschaft: Der Zaun muss weg.

"Amtsleiter Schreiber markiert den starken Mann", sagte Christoph de Vries (CDU). Er selbst halte Polizeikontrollen und konsequente Platzverweise für das bessere Mittel, wenn es zu Fehlverhalten komme. Carl-Edgar Jarchow, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, sagte, man könne den Obdachlosen zwar kein Wohnrecht unter der Brücke einräumen. Generell aber sei der Zaun eine "martialische Aktion".

Die GAL sieht in dem 18 000 Euro teuren Stahlgitter einen "sozialpolitischen Irrweg". Parteichefin Katharina Fegebank sagte dem Abendblatt: "Markus Schreiber versucht sich als City-Sheriff aufzuspielen, als populistischer Hardliner." Cansu Özdemir (Linke) forderte, den Zaun abzubauen und mehr Geld für die medizinische Versorgung Obdachloser bereitzustellen.

Selbst Schreibers eigene Partei, die SPD, distanzierte sich von der Absperrung. Die sozialpolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion, Ksenija Bekeris, verwies zwar darauf, dass es wegen mehrerer Vorfälle rund um die Brücke Handlungsbedarf gegeben habe. Doch der Zaun sei "als Symbol viel zu hart". Man hätte nach Alternativen suchen müssen. "So ist der Zaun mit Aussperren gleichzusetzen. Ich selbst finde ihn nicht richtig."

Das Bezirksamt Mitte hatte am Dienstag die etwa 20 Meter lange Absperrung errichtet, um die "Brückenbewohner" zu vertreiben. Zuvor hatten auch große Feldsteine, die im Zuge eines 100 000 Euro teuren Umbaus der Brücke gelegt worden waren, nicht zum Abzug der Obdachlosen und der Punker geführt. Es habe Ärger mit Anwohnern und Touristen gegeben, begründete Schreiber gestern erneut sein Durchgreifen. Er verwies auf einen Mord und eine Vergewaltigung im Milieu.

Die Proteste hätten ihn überrascht. "Mit einer derartigen Vehemenz habe ich nicht gerechnet", sagte er dem Abendblatt. Er werde an den Entscheidungen festhalten. "Ich bin schon erstaunt darüber, dass aus ihrem eigenen Verständnis heraus soziale Menschen sich dafür einsetzen, dass Obdachlose unter Brücken schlafen sollen." Schreiber wehrte sich gegen den Vorwurf, der Bezirk wolle Wohnungslose vertreiben. Ihnen seien Unterkünfte angeboten worden, in welche sie auch eingezogen seien. Letztlich gehe es ihm darum, dass Obdachlose nicht mehr unter Brücken schlafen müssten, sagte Schreiber.