Was für ganze Volkswirtschaften gilt, trifft auch auf viele Leute bei uns zu. Es ist bekannt, dass viele Menschen einfach nicht mit Geld umgehen können. Auch dass viele wenig Geld haben. Es gibt aber auch gar nicht mal so wenig Menschen, die viel Geld haben, aber keines bei sich. Sogenannte Kartenzahler. Stichwort: bargeldloser Verkehr. Und dass der mittlerweile überhandgenommen hat, diese bittere Erfahrung musste ich erst neulich machen: Ich verirrte mich in einen Hamburger Stadtteil (fängt mit "E" an und endet mit "dorf"), in dem die gestylten, mehr oder weniger blondierten Frauen vor langer Weile viel zu große Autos fahren, um sich dann auch noch zu wundern, dass sie keinen Parkplatz finden, und dann den allradbetriebenen Stadtpanzer in der zweiten Reihe abstellen. Da kommt Frau auch besser wieder weg.

Es ist das Viertel mit dem höchsten Zwillingskarren-Aufkommen, in dem Supermärkte zu Feinkost-Boutiquen werden. Wenn sie nicht im Rudel ihre verwöhnten Nachkommen über den Boulevard schieben, sitzen sie telefonierend in Straßencafés oder bummeln, shoppen, trödeln rum, sind also praktisch immer im Weg. So auch bei meinem Einkauf. Ich betrete einen dieser Delikatessen-Tempel, um etwas Kühlschranktaugliches einzuholen. Ich bin der einzige Mann in dieser viel zu schicken Einrichtung eines Nahrungsmittel-Dienstleisters. Schon in der Obst- und Gemüseabteilung der erste Stau! Jungmütterauflauf beim Bioangebot. Hektisches Geschnatter über Gesundheit, Schlanksein, Püriertauglichkeit, Gläscheneinkochen, wieder -erwärmen und so weiter. Ich schummle mich an dem Douglas geschwängerten Haufen vorbei. Auf meinem Weg zum Kühlregal passiere ich dekorative Weihnachtsleckereien. Wir haben Ende September! Es wird immer verrückter. Mein Einkaufswagen füllt sich, und ich überschlage schnell die Preise, um zu checken, ob ich auch genug Geld bei mir habe. Um die Kasse zu erreichen, muss ich den einen oder anderen Slalom einlegen, damit ich nicht in die umherstehenden Karren reinfahre. Es gibt sechs Kassen, und natürlich treffe ich wie immer die falsche. Vor mir nicht etwa eine Rentnerin, die in ihrem Portemonnaie scharrend mit einzelnen Ein-Cent-Münzen zahlen will, sondern die blondeste von allen anwesenden Weibchen mit der breitesten Doppelkinderkarre. Ihr Mann muss bei der Hamburger FDP arbeiten, denn ihre kreischenden und nölenden Bälger ruft sie Katja und Guido. Sie tragen auch noch gelb-blaue Mützchen im Partnerlook. Spontan fordere ich eine Fünf-Prozent-Hürde fürs Kinderkriegen. Entweder lag es an meinem entsetzten Blick, oder sie hat meine Gedanken gehört, denn sie zickt mich an: "Haben Sie auch Kinder?" "Nein", schleudere ich ihr entschlossen entgegen, "ich schlafe gern durch!"

Jede weitere Kommunikation liegt in der Tiefkühltruhe. Auf dem Band liegen zwei Rollen Toilettenpapier, und die will sie natürlich mit ihrer EC-Karte bezahlen. "Waaasss?", platzt es aus mir heraus. Sie aber straft mich mit Wahrnehmungsentzug. Und jetzt passiert, was passieren musste: Das Kartenlesegerät verweigert seine Arbeit. Meine Bemerkung: "Da ist ja wohl der Dispo erschöpft, muss der Papi wohl noch mal was nachschieben!", kann ich mir nicht verkneifen. Schnell beschwichtigt die Kassiererin, nein, das sei heute schon häufiger vorgekommen. Nach weiteren zehn Minuten biete ich ihr an, "einen auszugeben", und ernte missbilligend: "So eine blöde Anmache können Sie sich schenken, und zwar vierlagig!" Ach, guck mal an, sie hat ja doch so eine Art von Resthumor. Leider zu spät, ich wechsle die Kasse und dann schleunigst den Stadtteil. Wie heißt es so schön: Bargeld lacht! Na bitte, geht doch.

Nils Loenicker ist Kabarettist und Mitinhaber von Alma Hoppes Lustspielhaus. Sein satirischer Wochenausblick erscheint jeden Montag.